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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Ein Festmahl mit Weihwasser

Erinnerung an ein Godesberger Original: „Et Nieß“ war Küsterin an der Michaelskapelle

(14. Mai 2016 General-Anzeiger Bonn)

Ebba Hagenberg-Miliu

BAD GODESBERG. Der Wein in der Eremitage an der Michaelskapelle schmeckte scheußlich. Gastgeberin Agnes Gröppner feierte gerade ihr 50-jähriges Dienstjubiläum als Küsterin des Gotteshauses unter der Godesburg. Bürgermeister Josef Zander, Dechant Hermann-Josef Winter und sein Kaplan Peter Luck saßen als prominente Gäste brav mit am Tisch. Es war das Jahr 1919. Man war froh, den Ersten Weltkrieg überlebt zu haben. Und „et Nieß“, die rheinische Koseform für Agnes, tischte auf, was sie als arme Malerswitwe aufbieten konnte. So berichtet der Heimatforscher Hans Kleinpass in seinem Beitrag in den aktuellen „Heimatblättern“ über die letzte Küsterin der Michaelskapelle.

Mutter und Tochten wohnten in der ehemaligen Eremitage

„Et Nieß“ war 1848 als Tochter von Gertrud Blatzheim, der vormaligen Küsterin des Kapellchens, in Godesberg geboren worden. Als 21-Jährige hatte Agnes schon bei der Pflege der Kapelle ausgeholfen, neben der die verwitwete Mutter in der ehemaligen Eremitage wohnte, hat Kleinpass recherchiert. Agnes sprang auch hilfsbereit auf den Burgberg, nachdem sie den Anstreicher Johann Bernard Gröppner geheiratet und ihm sieben Kinder geboren hatte. 1883 hatte ihr Mann eines Tages plötzlich tot in der Koblenzer Straße gelegen. Und von da an hatte „et Nieß“ alleine für den Unterhalt sorgen müssen, den sie als Nachfolgerin der Mutter 1890 mit Hilfe eines Vertrags mit dem katholische Kirchenvorstand bestritt: Auch die Tochter zog verwitwet in die Klause neben der Kapelle ein und konnte 1919 schließlich ihr 50-Jähriges dort feiern. Und das mit den Prominenten, aber auch mit dem damals 34-jährigen Malermeister Jean „Schäng“ Arenz. Den hatte sie laut Kleinpass zur Feier eingeladen, weil der ortsbekannte Büttenredner, wie „et Nieß“ selbst ein Godesberger Original, tags zuvor ein Loblied auf die 71-jährige Küsterin in die Lokalzeitung lanciert hatte.

Mit einem Geranientopf bewaffnet hatte sich der Spaßvogel beschwingt auf den Burgberg aufgemacht. Die Alte habe ihn sofort in breitestem Godesberger Dialekt an ihre Seite manövriert, erinnerte sich Arenz später an die Begebenheit: „De Schäng, dat eß rääch, Plaatz gemaat, de Schäng moß nävve mir setze“, also der „Schäng“, das sei recht, Platz gemacht, der müsse neben ihr sitzen, sagte „et Nieß“. Der Kaplan vis-à-vis kniepte ihm verständnisvoll zu.

Der Enkel der Gröppner eilte flugs in die Sakristei, wo das Büffet aufgebaut war. „Düres“, rief die Küsterin, „alle marsch, däm Schäng vom beste Wing, dä do eß, enngeschott“, der Enkel gieße dem neuen Gast sofort vom besten Wein, der da stehe, tüchtig ein. Schon lief er in sein Glas. „Also broß, leve Jong – drink“, prostete ihm „et Nieß“ fröhlich zu. „Ich wönschen Uech, dat Ihr noch wiggere 50 Johr mem Streck am Michelsglöckelche treckt“, er wünsche ihr weitere 50 Jahre tägliches Glockenläuten für den Heiligen Michael, erwiderte der „Schäng“ -und verzog das Gesicht „wie ein Schaf, dem man statt Wasser Petroleum zum Saufen gegeben hätte“, zitiert Kleinpass Jean Arenz, der später alles so niederschrieb.

Sei denn der Wein nicht gut, habe die mütterliche Frau ihn geneckt, um dann ihren edlen Tropfen selbst zu probieren. „Jösses, Mariendeies“, habe sie sofort geschrien, da habe der Bengel in der Sakristei doch die Flaschen verwechselt und dem „Schäng“ das Weihwasser zu trinken gegeben. „Jott enä, wenn mer net övverall selever derbei eß!“, sie müsse halt überall aufpassen, rief „de Nieß“, der das Malheur dann doch vor aller Augen recht peinlich war.

Man kann sich vorstellen, dass die alte Frau in etwa so handfest mit ihrer Festgesellschaft feixte, wie sie der Godesberger Maler Walther Rath auf dem verschollenen Ölgemälde „Frau im Sonntagshut“ malte, von dem nur noch eine verkleinerte Kopie existiert.

„Och“, habe Jean Arenz, der ja nun auch nicht auf den Mund gefallen war, der Witwe Gröppner geantwortet, „wenn wer jetz at et Weihwasse drinke, dann soll et mich net wondere, wenn de Ovend beim Esse och de gesänte Krutwösch als Feldschlot op de Desch küt“. Auf Hochdeutsch: Wenn wir jetzt Weihwasser trinken, sollte es ihn nicht wundern, wenn am Abend zum Essen noch die gesegneten Palmzweige als Feldsalat auf den Tisch kommen.

Der heilige Michael soll sich vor Lachen geschüttelt haben

Es sei wohl selten an der alten Burgklause so viel gelacht worden wie an jenem Festnachmittag, zitiert Hans Kleinpass in seinem unterhaltsamen Beitrag den alten „Schäng“. Der, als er sich am späten Abend durch die Michaelskapelle wankend auf den Heimweg machte, auf einem goldenen Söckelchen einen anderen, einen Heiligen, erblickte, wie der sich ebenfalls vor Lachen ausschüttete: „Wie ich am späde Ovend dörch de Kapeil op hem ging, do hat ich dat Geföhl, al hat sich selevs Zönt Mi¬chel in singem golde Kamisölche fö Laache geschöddelt.“

> Hans Kleinpass‘ Beitrag „Agnes Gröppner“ ist in den Godesberger Heimatblättern, Band 53, des Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte nachzulesen. Mehr unter https://vhh-badgodesberg.de

Die Eremitage

Als erster Eremit soll hier Bruder Anton nach dem Wiederaufbau der zerstörten Michaelskapelle 1699 zwischen Ringmauer und Kapelle die Baulichkeiten errichtet und bezogen haben. Über 100 Jahre war die an die Kapelle geschmiegte Klause in wechselnder Folge von Eremiten bewohnt, bis 1801 der vorerst letzte Einsiedler, Bruder Daniel hier in seiner Schlafstatt, einem Sarg, verstarb.

Agnes Gröppner (1848-1925) schaut über 50 Jahre nach dem Rechten. 2006 zog mit Ordensschwester Benedicta erstmals wieder eine Eremitin in die Klause ein.

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