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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Mikrokosmos Beckenrand

Rainer Bung hat die 1960er und 1970er Jahre als Sohn des Badleiters im Panoramabad Rüngsdorf verbracht

(25. Juni 2025, General-Anzeiger)

Von Bettina Köhl

Bad Godesberg. Die Badehosen waren aus Stoff, die Kugel Eis kostete 20 Pfennig und das Freibad war sein Spielplatz: So beschreibt Rainer Bung seine Kindheit im Panoramabad Rüngsdorf der 1960er und 1970er Jahre. Für die Godesberger Heimatblätter gibt er einen spannenden Einblick in einen Mikrokosmos, in dem er als Sohn des Badleiters aufgewachsen ist.

Im Frühjahr 1967 löste sein Vater Helmut Bung den langjährigen Badleiter Ernst Peters ab. „Die mit der Stelle verbundene Dienstwohnung, die sich im ersten Stock des Schwimmbadgebäudes befand, wurde dabei zum Zuhause für unsere Familie“, berichtet der Sohn, der beim Umzug sechs Jahre alt war und Jahrzehnte später zu seinem Beitrag auch zahlreiche historische Fotos beisteuern konnte.

BAD GODESBERG
Mikrokosmos Beckenrand
Rainer Bung hat die 1960er und 1970er Jahre als Sohn des Badleiters im Panoramabad Rüngsdorf verbracht
Von Bettina Köhl

Bad Godesberg. Die Badehosen waren aus Stoff, die Kugel Eis kostete 20 Pfennig und das Freibad war sein Spielplatz: So beschreibt Rainer Bung seine Kindheit im Panoramabad Rüngsdorf der 1960er und 1970er Jahre. Für die Godesberger Heimatblätter gibt er einen spannenden Einblick in einen Mikrokosmos, in dem er als Sohn des Badleiters aufgewachsen ist.

Im Frühjahr 1967 löste sein Vater Helmut Bung den langjährigen Badleiter Ernst Peters ab. „Die mit der Stelle verbundene Dienstwohnung, die sich im ersten Stock des Schwimmbadgebäudes befand, wurde dabei zum Zuhause für unsere Familie“, berichtet der Sohn, der beim Umzug sechs Jahre alt war und Jahrzehnte später zu seinem Beitrag auch zahlreiche historische Fotos beisteuern konnte.

Schwimmmeister kam mit dem Kanu aus Oberwinter

Die Bilder zeigen auch das Badpersonal in weißer Sportkleidung. Schwimmmeister aus Marokko und dem damaligen Jugoslawien gehörten ebenso dazu wie ein ehemaliger Seemann aus Oberwinter, der manchmal mit dem Kanu zur Arbeit kam, und ein 70-Jähriger aus Krefeld, der als Empfangschef die Gäste mit Verbeugung begrüßte.

Eine Legende war Fußballer Horacio Troche, der als Kapitän der Nationalmannschaft von Uruguay an der WM 1966 teilgenommen hatte und Uwe Seeler im Viertelfinalspiel eine Ohrfeige verpasst hatte. Als Mitarbeiter des Freibads zeigte er sich von einer ganz anderen Seite, brachte Kindern das Kicken bei und hinterließ bleibende Lackspuren an einem Baum, nachdem er dort seinen Pinsel mit Rohrlack abgestrichen hatten.

Das Freibad war zugleich der Garten der Familie Bung. Für den Badleiter gab es im Sommer eine Urlaubssperre, was den Sohn aber nicht störte. „Während viele meiner Schulkameraden den Sommer schon in fernen Ländern verbrachten, hatte ich das Schwimmbad rund um die Uhr vor meiner Tür. In den großen Ferien verbrachte ich jeden Tag in den damals noch ungeheizten Schwimmbecken, habe stundenlang mit anderen daheimgebliebenen Freunden gespielt und dann das selbst gemachte Eis aus dem Kiosk für 20 Pfennig genossen“, erzählt Rainer Bung.

Während er selbst sportlich mit Taucherbrille, Schnorchel und Flossen unterwegs war, konnte er beobachten, wie sich die Bademode änderte. Statt unförmiger Stoffe brachten die Badegäste synthetische Badebekleidung aus dem Urlaub in Italien oder Spanien mit. „Anfang der 1970er-Jahre waren es dann auch die Verkaufsstände im Freibad, die bei Veranstaltungen wie den Schwimmmeisterschaften die neuesten Sportinnovationen präsentierten“, so Bung.

Ein Schäferhund als Nachtwächter

Wer eine Freikarte wollte, konnte sich an der Beseitigung des Müllproblems beteiligen, dass es schon damals auf den Liegewiesen gab. „Die Papieraufheber zur Garderobe bitte!“, sagte Helmut Bung abends per Lautsprecher durch. Die Kinder wuselten dann wie kleine Ameisen um den Müllcontainer herum, der von einem uralten Aufsitzrasenmäher über die Wiese gezogen wurde.

Zu den Badegästen gehörten nicht nur Familien, sondern auch Diplomaten aus aller Welt. Rainer Bung erinnert sich außerdem an einen Frühschwimmer, der im Bademantel mit seinem orangenen Porsche 911 vorfuhr. Manche Gäste kamen ungebeten, als „abenteuerlustige Nachtschwärmer“. Der tagsüber sehr freundliche Schäferhund des Restaurantpächters musste sie überzeugen, das Gelände schnellstens wieder zu verlassen.

Nach Ende der Freibadsaison hatte der kleine Rainer das ganze Gelände für sich. „Man konnte durch die Gänge schlendern, ohne auf die übliche Hektik der Besucher zu stoßen. Ich erforschte jede Ecke und jeden Winkel des Schwimmbads, als hätte ich meinen eigenen privaten Palast.“

Ein besonderes Motiv ist beim Rheinhochwasser von 1970 entstanden: ein Käfer auf der Brücke, drum herum nur Wasser. Der Vater parkte seinen weißen VW nämlich im Winter immer in der freien Herrenumkleide, als nachts das Wasser überraschend schnell durch die Toreinfahrt floss. „Da mein Vater um eine unkonventionelle Entscheidung nie verlegen war, fuhr er kurzerhand den zum Glück nicht sehr breiten VW einfach über die Liegewiese auf die Brücke, die das Mehrzweckbecken überspannte. Gute sichtbar für die gesamte Nachbarschaft hatte sein Auto für die nächsten Tage den außergewöhnlichsten Parkplatz in ganz Bonn.“

Bei Hochwasser musste die Familie außerdem mit der Leiter aus dem Badezimmerfenster klettern, weil sich die Türen im Erdgeschoss nicht öffnen ließen. Damit nicht immer die Feuerwehr anrücken musste, um den kleinen Rainer zur Schule abzuholen, bekamen die Bungs ein rotes Schlauchboot zur Verfügung gestellt, mit dem die Kinder im Sommer Seeschlachten im Freibad veranstalteten.

Mit „Nostalgie und Dankbarkeit“ blickt der Autor des Heimatblätter-Beitrags auf diese längst vergangene Zeit zurück. Er lernte im Freibad, Verantwortung zu tragen und Teil einer Gemeinschaft zu sein. Noch heute erkennt Bung Menschen auf der Straße als Badegäste von damals wieder.

Die 50. Ausgabe der Godesberger Heimatblätter ist beim Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg erhältlich.

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