Das Rätsel um das Schnee-Gemälde
Ein verschneites Godesberg in Öl – erst Jahrzehnte später wurde der Maler identifiziert
(23. Mai 2025, General-Anzeiger)
Von Gabriele Immenkeppel
Bad Godesberg. Bad Godesberg im Winter: Schnee bedeckt die Straßen und erschwert die Zufahrt zur Heumannschen Tankstelle unterhalb der Godesburg. Michael Frechen hielt diesen längst vergangenen Blickwinkel in einem Ölgemälde fest. Eine Ansicht, die offenbar viele Alteingesessene in Erinnerung schwelgen ließ. Daher zierte eine Abbildung des Ölgemäldes im Jahr 2003 den Advents- und Kunstkalender des Vereins Godesberg Stadtmarketing. Doch was ist über den Künstler und dieses Werk bekannt? Der General-Anzeiger hat sich auf Spurensuche begeben.
Ein genauer Blick zeigt das Ursprungsjahrzehnt
Bernd Birkholz vom Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg kann weiterhelfen. „Beim Versuch, das Gemälde zeitlich einzuordnen, fällt mein Blick zuerst auf das neue, von Gottfried Böhm entworfene Godesburg-Restaurant. Das wurde 1960/61 gebaut“, erklärt er. Die in dem Ölgemälde festgehaltene Aral-Tankstelle Heumann war in den Godesberger Adressbüchern in den Ausgaben von 1964 bis 1968 verzeichnet. „In den Bonner Adressbüchern ab 1970 gibt es unter der Adresse Koblenzer Straße 3 keine Aral-Tankstelle mehr“, recherchierte er. Das Haus sei im Zuge der Altstadtsanierung in den Jahren 1977/78 abgerissen worden. Demnach hat Frechen das Werk offenbar in den 1960er Jahren geschaffen.
Auch zu dem im Hintergrund erkennbaren dunklen Haus mit einer Leuchtreklame, von der nur die Passage „norone“ zu erkennen ist, hat Birkholz Informationen: In dem Gebäude an der Ecke Aennchenplatz und Koblenzer Straße gab es im Erdgeschoss zwei Geschäfte – eine Drogerie sowie ein Laden für Molkereiprodukte. „Und die im Bild sichtbare, zur Koblenzer Straße zeigende Fassade trug Lichtreklame für den Express, was durch Fotos belegt ist. Die Bad Godesberger Adressbücher nennen für diese Adresse keine Geschäfte, zu denen die auf dem Frechen-Bild erkennbaren Werbebeschriftungen passen. Entweder bewarben sie andere Geschäftsstandorte, oder sie entsprangen der Fantasie des Künstlers.“
Die Spurensuche nach Michael Frechen ist nicht einfach. Er wurde 1936 oder 1938 in Bonn geboren und starb 2020. Nach der Schule absolvierte er eine Malerlehre und arbeitete viele Jahre in diesem Beruf. Nach einem Abstecher nach Weißenfels in Sachsen-Anhalt zog er offenbar 1953 wieder nach Bad Godesberg.
Die Galeristin Elvira Engelhardt hat ebenfalls ein paar Informationen über Michael Frechen. Seit 1995 waren seine Bilder in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Nicht nur in seiner Heimat, sondern auch in Stuttgart, in Berlin oder der Abtei Prüm. Seit 2009 gehörte er dem Kunstverein Bad Godesberg an. Sie hat zwar die Namen von zwei Erben, die sind allerdings nicht mehr unter den bekannten Adressen erreichbar. Wo „Godesberg im Schnee“ geblieben ist, bleibt daher schleierhaft. Allerdings weiß Elvira Engelhardt, dass Michael Frechen offenbar seit 1979 beim THW beschäftigt war.
Als Ikonenmaler hat er sich in der Region ebenfalls einen Namen gemacht. So präsentierte er 2018 insgesamt 18 seiner Werke in verschiedenen Wachtberger Kirchengemeinden. Fast seine gesamte Kindheit hat Frechen in Pech verbracht. „Ich bin hier zur Kommunion und zur Firmung gegangen“, erinnerte er sich einmal in einem GA-Interview. „Das religiöse Leben hat hauptsächlich in der Sankt Michaels Kapelle stattgefunden“, erzählte er damals.
Noch zu Lebzeiten hatte Michael Frechen außerdem verfügt, dass sein Bild „Schiffe im Eis“, eine Ansicht des Hafens von Oberwinter, nach seinem Tod an den örtlichen Rathausverein gehen soll. Darin hat er erneut eine winterliche Landschaft festgehalten: Vorne stecken die Schiffe im Hafen von Oberwinter im Eis fest, zum Ort hin sind Häuser sowie die Türme der Kirchen zu erkennen.
Da Frechen viele Jahre in Wachtberg-Pech verbracht hat, hatte er dem dortigen Heimatverein eine Kladde mit seinen Kindheitserinnerungen zur Verfügung gestellt. Eine seiner handschriftlichen Aufzeichnungen ist datiert und stammt vom August 2008. Darin erzählt er, wie er sich als kleiner Junge bei strahlendem Sonnenschein im Frühjahr 1945 zusammen mit einem Freund zum Kommunionsunterricht Richtung Villiper Kirche aufgemacht hat. Auf Höhe der Ölmühle hörten die beiden Jungs ein leises Brummen und sahen über sich zwei Flugzeuge.
„Durch die Ermahnung der Eltern, in diesen Zeiten vorsichtig zu sein, liefen wir die Straße zurück und versteckten uns in den damals noch kleinen Büschen in dem Hang an der Landstraße“, schrieb Frechen. Eine Kolonne von Wehrmachtssoldaten tat es ihnen gleich und tauchte ebenfalls ins Gestrüpp ab. Nachdem die englischen Jagdflugzeuge zunächst abdrehten, kehrten sie bald darauf im Tiefflug zurück, was bei Frechen und seinem Freund „rasenden Puls“ auslöste. Die zwei Bomben, die dann vom Himmel flogen, lösten eine gewaltige Detonation aus – eine landete in einer Kiesgrube, die andere mitten in einem Feld oberhalb der heutigen Villiper Kläranlage.
Da die US-Truppen in Pech Quartier bezogen und die Schule in ein Lazarett verwandelt hatten, fiel der Unterricht damals oft aus. Stattdessen gingen die Jungs auf Tour und entdeckten in einer alten Scheune mitten im Dorf einen Berg von Orden. „Hochdekoriert verließen wir auf Schleichwegen die Scheune, immer darauf bedacht, nicht von den fremden Soldaten gesehen zu werden“, hatte Frechen notiert. Bei mancher Angst, die sich zwischen den Zeilen lesen lässt, hält er als Erwachsener fest: „Für uns Kinder war es schon eine abenteuerliche Zeit damals.“