Wappen von Bad Godesberg
VHH
Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Bad Godesbergs Rolle im Kolonialismus

Das Hotel Zum Adler an der Koblenzer Straße war 1885 Ort einer Tagung, die die Kolonialpolitik befeuerte

(23. April 2025, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. Es war der 26. August 1885, als an der heutigen Koblenzer Straße 60 eine Herrenrunde des Westdeutschen Vereins für Kolonisation und Export sowie der Deutsch Ostafrikanischen Konferenz zusammenkam. Der Vorsitzende Friedrich Fabri, der selbst ein paar Häuser weiter wohnte, hatte die Spitzen der damaligen deutschen Kolonialbewegung geladen. Und gerade von den kapitalkräftigen rheinischen Großindustriellen waren etliche gekommen, um im heute noch bestehenden Hotel Zum Adler festlich bewirtet zu werden. Aber vor allem, um die bevölkerungsreichste Kolonie des Deutschen Reiches weiter zu planen. Noch im selben Jahr wurde sie als „Deutsch-Afrika“ auf dem heutigen Gebiet Tansanias, Burundis, Ruandas und Mosambiks erzwungen.

Bernd Birkholz hat in der neuesten Ausgabe der Bad Godesberger Heimatblätter des Heimats- und Geschichtsvereins erneut akribisch Fakten über die zweifelhafte Rolle Godesbergs in der Kolonialbewegung zusammengetragen. Damit schließt der Lokalhistoriker an seine Arbeit von 2024 über den ab 1909 ebenfalls in Godesberg lebenden Generalleutnant Lothar von Trotha (1848-1920) an. Der hatte 1904 den Vernichtungsbefehl für alle im heutigen Namibia heimischen Herero und Nama gegeben: zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Im August 1885 war also an der Koblenzer Straße – ohne von Trotha – eine illustre Schar ebenfalls begeisterter Anhänger der Kolonialpolitik vereint. Man gab die Parole aus: „Diese Godesberger Versammlung wird in der Geschichte der deutschen Kolonialbewegung dauernd von Bedeutung sein, weil sie den Gegnern deutscher Kolonisation und speciell dem Auslande klar gemacht haben wird, daß alle kolonisationsfördernden Elemente in Deutschland unsern Feinden gegenüber einmüthig zusammenstehen.“ „Deutsch-Afrika“ sollte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs die brutale wirtschaftliche Ausbeutung von Plantagen für Kautschuk, Hanf, Baumwolle und Kaffee betreiben. Aufstände wurden blutig niedergeschlagen.

Den Ton bei der Konferenz gab Friedrich Fabri (1824-1891) an, ein evangelischer Theologe, der durch seine Schlüsselpositionen in Gremien als„Vater der deutschen Kolonialbewegung“ in die Annalen einging. Kolonien versprachen Fabris Ansicht nach verlockend attraktive Absatzmärkte. Der Theologe, der in seinen letzten Lebensjahren auch in der Erlöserkirche predigte, sah offenbar keinen Widerspruch zwischen seinen christlichen Werten einerseits und dem Ausbeuten fremder Länder sowie dem Unterdrücken der indigenen Bevölkerung andererseits, kommentiert Birkholz.

Noch aggressivere Töne schlug im Hotel Zum Adler auf jeden Fall der „rassistische Kolonialist“ Carl Peters (1856-1918) an. Der Doktor der Philosophie hatte seine Passion für Afrika-Reisen zum Erfolgsmodell gemacht. Im Jahr der Godesberger Konferenz sollte der für seine Grausamkeit Indigenen gegenüber berüchtigte Peters einen Kaiserlichen Schutzbrief für die Kerngebiete der Kolonie erhalten, aber wegen seiner Willkürherrschaft bald in Misskredit geraten. Erst die Nazis sollten ihn posthum feiern und 1938 in Godesberg die heutige Yalovastraße nach ihm, dem „Prototypen des deutschen Herrenmenschen“, benennen. Erst 1969 wurde das revidiert.

Relevant war Peters auch durch seinen starken Einfluss auf den Kongressteilnehmer Karl von der Heydt (1858-1922), der in Godesberg seine Sommermonate zu verbringen pflegte. Der Bankier, ein selbst erklärter Musenfreund und gleichzeitig Vorsitzender der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, investierte selbst gezielt in koloniale Wirtschaftsprojekte und dürfte dabei ebenfalls keine moralischen Bedenken gehabt haben, meint Birkholz. „Sein Handeln entsprach dem Zeitgeist.“ Godesberg hat von der Heydt ebenfalls eine Straße gewidmet: aber erst 1945 für seine kulturellen Verdienste.

Ein weiterer bekannter Kolonialismus-Fan, der 1885 zwar nicht im Hotel Zum Adler mit tagte, sondern damals kurzzeitig als Generalkonsul im ostafrikanischen Sansibar fungierte, war der Afrika-Schriftsteller Gerhard Rohlfs (1831-1896). Er siedelte sich nach 1885 in Rüngsdorf an. Nach ihm ist gegenüber seiner Villa in der Friedrichallee 10 seit 1898 eine Straße benannt. Brinkholz sieht Rohlfs „koloniales Handeln“ im Vergleich zu dem des offenen Rassisten Peters zwar eher als harmlos an. Gleichwohl sei auch Rohlfs Wirken sicher heute einiger Kritik ausgesetzt.

Rohlfs, Fabris, Peters und von der Heydts Handeln wurde von den Nazis 1934 auf jeden Fall öffentlich als Beleg dafür genannt, dass man„Bad Godesberg als die Wiege der deutschen Kolonien bezeichnen“ könnte. Das sei sicher überzogen, meint Birkholz. Godesberg habe aber zur Kolonialbewegung „in Beziehung“ gestanden. Und zwar nicht nur durch die „Bannerträger“, sondern eben auch seine kolonialbegeisterte Bevölkerung. Hatte die doch auch dem zeitweisen Mitbürger und Afrika-Rückkehrer Lothar von Trotha Anfang des 20. Jahrhunderts enthusiastisch zugejubelt.

Der Beitrag von Bernd Birkholz ist in der neuen Ausgabe der Bad Godesberger Heimatblätter des Heimat- und Geschichtsvereins erschienen. Wer diese erwerben möchte, kann dies dienstags zwischen 15 und 18 Uhr in der Geschäftsstelle des Heimatvereins, Augustastraße 82, tun. Gegen Porto wird das Buch außerdem auch verschickt. Mitglieder erhalten das erste Exemplar kostenlos, für jedes weitere fallen zehn Euro an. Nicht-Mitglieder zahlen 15 Euro.

BONNER PROJEKT – Aktive Erinnerungskultur in der Stadt

In Bonn startete im März 2022 das Projekt „Aktive Erinnerungskultur“. Es gehörte organisatorisch zum Zentrum für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen. Der Fokus lag auf Erinnerungsorten im Stadtraum
– wozu auch Straßennamen gehören –, die Bezüge zum Kolonialismus und Nationalsozialismus aufweisen. Die Gruppe Bonn Postkolonial wiederum vereint auch aktuell Bürger, die gemeinschaftlich auf ein Engagement gegen Postkolonialismus und Rassismus setzen. Sie zeigt zum Beispiel mit Stadtrundgängen, wie Geschichte nachwirkt. ham

ROBERT KOCH – Nobelpreisträger mit kolonialer Geschichte

Einen weiteren Prominenten, der ab 1955 in Bad Godesberg, beziehungsweise ab 1978 in Bonn einen Straßennamen erhielt, nimmt Bernd Birkholz in seinem Beitrag mit Robert Koch (1843-1919) unter die Lupe. Der weltbekannte Mediziner, Mikrobiologe und Hygieniker war nicht Godesberger und auch nicht bei der Godesberger Tagung zugegen. Er habe aber in Ostafrika auf der Suche nach einem Mittel gegen die Schlafkrankheit Menschenversuche mit einem arsenhaltigen Medikament ausgeführt, die hier nicht erlaubt gewesen wären. Sie hätten allein in der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ Hunderttausende Todesopfer gekostet, so Birkholz. ham

Menü