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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Wo man 1945 vor Bomben Zuflucht fand

Russische Zwangsarbeiter waren nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Bad Godesberg im Einsatz. Heute gibt es im Stadtteil 15.718 Zivilschutzplätze

(17. August 2024, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | Täglich stellen Hunderte Aldi-Kunden an der Bonner Straße ein paar Meter entfernt von diesem merkwürdigen, fast kirchenähnlichen Turmgebilde ihre Wagen ab. Hinter einem Zaun stechen von dort aus die zwei grauen Eingangsbauten eines ehemaligen Kleinbunkers ins Auge. GA-Leser Werner Eich war vor Jahren auf dem Gelände, ist die Betontreppen ein Stück hinuntergeklettert und hat durch die schießschartenartigen Luken gespäht. „Bis es mir unheimlich wurde und ich schnell wieder hochstieg“, sagt er. Er vermute, dass diesen Bunker während des Zweiten Weltkriegs die sowjetischen Kriegsgefangenen und Häftlinge des Arbeitslagers bauen mussten, die damals dort nur einen Katzensprung entfernt an der Weststraße interniert waren.

Wie berichtet, waren diese Hunderte Gefangenen ab 1943 von Nazi-Bürgermeister Heinrich Alef vor allem eingesetzt worden, um unter Lebensgefahr Bombenschäden zu beseitigen und die schweren Erdarbeiten beim Bau des Luftschutzstollens unter dem Godesburg-Berg zu verrichten. Dessen spinnenartiges Tunnelsystem neben einem jahrhundertealten anderen Stollen hat der Verein Kunst und Kultur Bad Godesberg (KuKuG) 2020 durch 3-D-Visualisierung für jeden digital zugänglich gemacht. Die Häftlinge und Zwangsarbeiter mussten aber auch für örtliche Unternehmen schuften. Wahrscheinlich eben auch an der Bonner Straße.

In den Heimatblättern des Geschichtsvereins hat Günter Gratzfeld 2012 zum Kleinbunker neben dem heutigen Aldi recherchiert: Mit dem Abriss der Werkstätten des Autohauses Bussmann seien hier plötzlich „ein drei Meter hohes, spitzes Betontürmchen“ und daneben ein „Betoneingang mit abgeschrägtem Dach“ sichtbar geworden, „offensichtlich ein geschützter Bunkereingang“. Ein Nachbar habe berichtet, dass sich vor Ort seit 1860 eine Pferdewechselstation mit Brunnen befunden habe. Den habe dann der nachmalige Besitzer, das Holz- und Sägewerk Blatzheim, vom seit 1931 in Godesberg tätigen Unternehmer Hans Blatzheim während des Zweiten Weltkriegs zum Schutzraum umbauen lassen. „Solche kleinen Bunker gab es öfter, wenn man es sich leisten konnte“, führt Gratzfeld aus. Doch diejenigen, die sie gebaut hatten, die Zwangsarbeiter, blieben, wenn die Bomben fielen, ausgeschlossen.

Mehr als 30.000 Zivilschutzplätze in Bonn

Da fragt es sich natürlich, was den Godesbergern heute im Notfall an Zivilschutzräumen zur Verfügung steht. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat sie in seinem Portal KuLaDig (Kultur. Landschaft. Digital) zusammengestellt. „Bei einem militärischen Verteidigungsfall, aber auch im Falle einer Naturkatastrophe oder einer anderen Großschadenslage, etwa nach einem größeren Terroranschlag oder Atomunfall“ stünden im Stadtteil bis zu 7200 Plätze im Schutzbunker des 1989 eröffneten Godesberger Straßentunnels bereit. Sie seien in den über zwei Querstollen miteinander verbundenen Röhren auf jeweils fast 900 Metern zu nutzen.

Zum Verschließen der Bunkerschutzräume befänden sich an beiden Enden der Hauptröhren massive Schwenktore mit einem Gewicht von jeweils 60 Tonnen, dröselt das LVR-Portal auf. „Die wie massive Tresortüren aussehenden Tore können im Notfall per Hydraulik von Hand aus ihrer Wandnische gehoben und zugeklappt werden.“ Ein Zugang sei dann nur noch über Schleusen und Notausgänge möglich. Im Bereich zwischen den Tunnelröhren seien Sozial- und Technikräume eingerichtet. Und der Bunker verfüge über entsprechende Einrichtungen zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung: „Ein Bezug dieser Schutzeinrichtung erfordert allerdings einige Vorbereitungszeit, da zum Beispiel Lebensmittel erst eingelagert werden müssen“, erläutert das Portal.

Im Stadtteil gebe es dann noch 2360 aktuelle Schutzplätze in der U-Bahn-Station Stadthalle an der Koblenzer Straße 80, 2310 Plätze in der U-Bahn-Station Bahnhof Bad Godesberg, Moltkestraße 43, 2000 Plätz in der U-Bahn-Station Wurzerstraße in Plittersdorf und weitere 2.000 Schutzplätze in der U-Bahn-Station Plittersdorfer Straße im Villenviertel. Dazu kommen 531 Schutzplätze des Reservistenverbands der Bundeswehr in der Tiefgarage Südstraße 123 in Godesberg-Nord und 317 Plätze in der Pennenfelder Tiefgarage Koblenzer Straße 109. Das heißt: In Bad Godesberg stehen mit 16.718 Plätzen über die Hälfte der für Bonn gerechneten Zivilschutzplätze zur Verfügung. Insgesamt zählt die LVR-Redaktion für Bonn 30.451 Plätze.

Ehemalige sogenannte Splitterschutzgräben wie deren Reste am Römerplatz oder am Klufterplatz, die Iris Henseler-Unger und Martin Ammermüller vom Heimatverein auf Anfrage nennen, sind wie der Godesburg-Tunnel längst außer Betrieb. Genauso der zugemauerte Bau am Plittersdorfer Dorfplatz, der GA-Leser Werner Eich ebenfalls aufgefallen ist. „Laut Akten handelt es sich um einen Splittergraben oder auch Luftschutzunterstand, der 1944 im Auftrag der Stadt Bad Godesberg gebaut worden ist“, hat die Stadt 2022 informiert. GA-Leser Eich steht derweil vor dem mit Graffiti bemalten klobigen Etwas. Ein Nachbar erzählt, das Loch darin diene dazu, dass Fledermäuse dort ein- und ausfliegen können. „Sicherlich üben alte, verfallene Bunkeranlagen einen gewissen Reiz aus“, meint Eich.

SCHUTZ FÜR DIE BEVÖLKERUNG – Der Godesburg-Tunnel

Ab 1943 mussten Kriegsgefangene des Lagers an der Weststraße einen Tunnel in den Godesberg treiben, um so der Bevölkerung Schutz vor Luftangriffen zu bieten. Das Bauwerk wurde bis Kriegsende nie vollendet, „der Aushub wurde später von amerikanischen Armeepionieren für den Bau einer Brückenrampe der Hodges-Ponton-Brücke am Rhein in Plittersdorf verwendet“, informiert der Verein Kunst und Kultur Bad Godesberg (KuKuG). Schnell sei der hinter einer Tür an der Burgstraße zu erreichende Bunker in Vergessenheit geraten. Während des Kalten Krieges wieder „ausgegraben“ und auf Vordermann gebracht, sei er heute eher Denkmal als Schutzanlage. Digital ist er hier zu besichtigen: https://www.kukug.de/kukug-projekte/zeitdokumente-in-vr. ham

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