Alle Spuren führen zum Kölner Dom
Das Hochkreuz ist ein Monument aus dem Mittelalter, über dessen Ursprung nicht viel bekannt ist
(24. Juli 2024, General-Anzeiger)
VON BETTINA KÖHL
BAD GODESBERG/BONN. | Neben dem Hochkreuz kann man sehr gut Kaffee trinken. Natürlich nur neben dem Original in der Vorhalle des LVR-Landesmuseums in Bonn. Die Kopie steht nach wie vor mitten im Verkehrstrubel auf der B 9 im gleichnamigen Ortsteil Hochkreuz. Zu besichtigen sind beide kostenlos, das eine im Eingangsbereich des Museums, das andere rund um die Uhr an der Haltestelle Hochkreuz. Was es mit dem doppelten Wegekreuz auf sich hat, hat Kunsthistorikerin Pia Heckes im aktuellen Band der Godesberger Heimatblätter beschrieben. Sie entführt in eine Zeit der Pestausbrüche und der intensiven Bauarbeiten am Kölner Dom.
Das Hochkreuz gestern und heute, so wie Heckes es beschreibt: „Einst stand es als einsame Landmarke deutlich herausgehoben in der freien Landschaft, heute geht die Kopie des Hochkreuzes im architektonischen Wirrwarr der hohen Umgebungsbebauung und einer modernen Straßenbahnhaltestelle zwischen zwei doppelspurigen Fahrbahnen der B 9 fast unter.“ Sie versucht in ihrem Beitrag zu ergründen, wer das Hochkreuz in Auftrag gegeben hat und warum.
Bei ihren Recherchen zur Entstehung setzt die Kunsthistorikerin im 14. Jahrhundert an. Während die Datierung schwierig ist, fällt die handwerkliche Zuordnung etwas leichter. Das Hochkreuz trägt nämlich die Handschrift eines anderen, viel größeren rheinischen Bauwerks – des Kölner Doms. „Es ist in Form einer gotischen Turmfiliale aus Drachenfelser Trachyt errichtet worden. Daher kann man mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass die Handwerker der Kölner Dombauhütte für Planung und Ausführung verantwortlich waren“, erklärt Heckes. Der Drachenfelser Steinbruch sei Eigentum der Kölner Kirche gewesen, und die gewonnenen Steine seien nur mit deren Einverständnis verwendet worden.
Wahrscheinlich haben entweder Erzbischof Walram von Jülich oder sein Nachfolger Wilhelm von Gennep das Hochkreuz beauftragt. „Für Walram als Stifter des Hochkreuzes spricht, dass er als Erbauer in der Koelhoffschen Chronik genannt ist, die allerdings erst 1499 verfasst wurde“, so Heckes. Beide Erzbischöfe kämen in Betracht, wenn es sich beim Hochkreuz um ein Pestkreuz handelt. Allerdings ist dann die Frage, warum es ausgerechnet an diese Stelle und nicht an der südlichen Grenze des Erzstifts zur Abschreckung aufgestellt wurde, Pestausbrüche gab es im Rheinland sowohl 1349 als auch 1356/58 und 1365.
Beide Erzbischöfe, Walram und Wilhelm, führten laut Heckes ein „eisernes Regiment, wenn es darum ging, den Kölner Dombau zu befördern“. Zugleich seien die Dombauhütten im Mittelalter Motoren des Fortschritts gewesen, weil hier neue Techniken und Gerätschaften entwickelt wurden. Für Wilhelm spricht, dass er zum einen regelmäßig auf der Godesburg zu Gast war und zum anderen sparsamer baute als sein Vorgänger, indem er auch Material wiederverwenden ließ.
Unumstritten ist die Tatsache, dass das Hochkreuz für Pilger, die aus Süden kommend nach Köln wollten, gut sichtbar war. „Der Dom war wegen der herausragenden Bedeutung der Reliquien der Heiligen Drei Könige einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte im Mittelalter“, so Heckes. Das Hochkreuz sei mit seinen elf Metern Höhe das einzige hohe Bauwerk zwischen Godesberg und Bonn gewesen. Besonders gut war das von der Godesburg aus zu sehen, auf einer Sichtachse zum noch unfertigen Dom. „Dass die Dombaustelle und das Hochkreuz von der Godesburg aus wahrgenommen werden konnten, belegt eindrücklich auch ein späteres Altargemälde aus der Niederbachemer Kirche St. Gereon.“ Es zeigt die Godesburg in einer Linie mit Hochkreuz, Bonner Münster und Kölner Dombaustelle.
„Der Bischof des 14. Jahrhunderts, der das Hochkreuz an dieser Kreuzungsstelle der wichtigsten Straßenverbindung nach Köln hat errichten lassen, zielte damit sowohl im übertragenen wie im direkten Sinne auf den Dombau“, so Heckes. Anlass könnte ein Jubiläum gewesen sein, weil 200 Jahre zuvor die Reliquien nach Köln gebracht wurden.
Heckes beschäftigt sich auch mit Sagen, die sich um das Hochkreuz ranken. Dass es sich um ein Sühnekreuz für einen Mord auf der Godesburg am Weihnachtstag 1374 handelt, ist eine davon. Wahrscheinlicher ist aber, dass das mittelalterliche Kreuz daran erinnert, dass mit exotischen Haustieren nicht zu spaßen ist. In der Kölner Bischofschronik ist nämlich zu lesen, dass Erzbischof Wilhelm von Gennep nach dem Biss einer Meerkatze gestorben sei, und weiter: „Er ließ das steinerne Kreuz setzen, das noch steht zwischen Godesburg und Bonn.“ Möglich, dass den Kölner Erzbischof seine Extravaganz das Leben gekostet hat, einen kleinen Affen zu halten. Das Hochkreuz könnte sein persönliches Pilgerzeichen sein. „Es mag aber durchaus so sein, dass Wilhelm von Gennep aufgrund der Infektion durch den Affenbiss die Fertigstellung des Hochkreuzes nicht mehr erlebt hat“, so Heckes.
Das Hochkreuz wurde im 19. Jahrhundert mehrfach restauriert und mehrfach verschoben, zuletzt 1956 für die Verbreitung der B 9. Weil es baufällig war, wurde es 1981 schließlich fürs Museum abgebaut und 1982 durch die Kopie ersetzt. „Man kann sagen, dass wir heute ein Denkmal für ein Denkmal haben“, sagt die Kunsthistorikerin über das Hochkreuz in Bad Godesberg.
PROGRAMM BEIM HEIMATVEREIN – Spaziergänge durch Godesberger Ortsteile
Der Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg (VHH) hat seine Geschäftsstelle an der Augustastraße 82 im Villenviertel. Dort ist auch Band 61 der Godesberger Heimatblätter erhältlich. Geöffnet ist dienstags von 15 bis 18 Uhr (ferienbedingt nicht am 23. Juli), in dieser Zeit ist der VHH auch telefonisch unter ☎ 0228/74 88 87 88 zu erreichen.
Im Sommer bietet der Verein Spaziergänge in den Ortsteilen und zu den Sehenswürdigkeiten Bad Godesbergs an. Sie finden jeweils mittwochs ab 17 Uhr statt und dauern etwa 1,5 Stunden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich und auch für Nicht-Mitglieder kostenlos, eine kleine Spende ist aber willkommen. Nächster Termin ist am 24. Juli mit Werner Zorn in Lannesdorf, Treffpunkt ist am Brunnenplatz, Bushaltestelle Lannesdorf Mitte. Am 31. Juli zeigt Annette Krapp die Kunstwerke in Redoutenpark und Stadtpark, Treffpunkt ist das Haus an der Redoute. Das komplette Programm gibt es auf vhh-badgodesberg.de.