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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Und dann holte ihn die Gestapo ab

Kaltgestellt unter der Herrschaft der Nationalsozialisten: Ludwig Rintelen hat damaligen Godesberger Verschönerungsverein mitgeprägt

(24. Juni 2024, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | Wie leicht auch hochverdiente Bürger unter totalitären Regimen ausgeschaltet werden und in Haft verschwinden können, zeigt der Fall des Godesberger Juristen Ludwig Rintelen (1873-1945). Dieser vormalige Regierungsrat war im Ersten Weltkrieg Leiter der landwirtschaftlichen Verwaltung im besetzten Belgien, seit 1922 Chef der herzoglich-arenbergischen Verwaltung und schließlich im reifen Alter Rechtsanwalt in der Badestadt gewesen. Seit dem 8. Mai 1933 leitete Rintelen ehrenamtlich unter anderem die Geschicke des Godesberger Verschönerungsvereins, des heutigen Heimatvereins. Der promovierte Jurist war keineswegs ein Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Rintelen, der bei Versammlungen gern lateinische Gedichte zitierte, war, als gewaltsame Ausgrenzung in Deutschland längst Alltag geworden war, wegen seiner „treuen und warmherzigen Art“ geschätzt, wie Dietrich Jung später in den Godesberger Heimatblättern schrieb.

Und dann holte den 65-Jährigen am 19. Januar 1939 plötzlich die Geheime Staatspolizei (Gestapo) aus der Koblenzer Straße 97 ab. Von der Adresse neben dem heutigen VNR Verlag brachte man ihn ins damalige Bonner Gefängnis, an dessen Stelle heute das Landgericht arbeitet. Klaus Rick, der dort selbst später stellvertretender Verwaltungsleiter war, hat die Gefängniskarte Rintelens aufgespürt. Ein 1,78 Meter großer, weißhaariger, kräftiger Mann mit hoher Stirn, Brille und Schnurrbart sei Anfang 1939 ins Zuchthaus eingeliefert worden, steht da in schwarzer Tinte auf gelbem Papier. Was für eine Schmach mag das für einen kürzlich erst mit der Silbernen Ehrennadel des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland dekorierten unbescholtenen Bürger gewesen sein, sich hier unter der Listennummer 1170/38 vom Knastpersonal vermessen lassen zu müssen.

Der Häftling habe zwar keine Vorstrafen, doch er sei wegen der Straftat „politischer Vergehen“ inhaftiert worden, schrieb die Gestapo in die Personalakte. Was auf den ersten Blick erstaunt. Denn das Quellenmaterial, das neben Klaus Rick auch Bernd Birkholz vom Godesberger Heimatverein beibringt, weist den politischen Häftling als keineswegs renitente öffentliche Person im Nazi-Alltag aus. Rintelen habe seit 1933 im Vereinsvorsitz jeweils eine „umfangreiche und glückhafte Jahresarbeit trotz beschränkter Mittel“ geleistet, belegten vor 1939 mit dem General-Anzeiger Bonn und der Mittelrheinischen Landeszeitung damals zwangsweise gleichgeschaltete örtliche Medien.

Dass er Anfang 1933 für den von den Nazis sofort aus dem Amt gejagten Bürgermeister Josef Zander Sympathien bekundete, schien Rintelen noch nicht zu schaden. Er habe sogar dem bei Vereinsversammlungen anwesenden Nazi-Bürgermeister Heinrich Alef „in herzlichen Worten“ für Zuschüsse gedankt, schrieb die Presse. Dass dieser Bürger dann plötzlich in „Schutzhaft“ genommen wurde, zeigt sicher, wie eine rechtsextreme Diktatur die Stellschrauben ihres Verfolgungsapparats nach und nach bis zum Anschlag nachzuziehen pflegt.

Rintelen konnte schließlich zwar nichts Konkretes nachgewiesen werden. Am 17. Februar 1939 wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Aber nicht ohne die Auflage, sofort sämtliche öffentlichen Ämter niederzulegen. Ab sofort war er kaltgestellt. Und konnte erst 1945 wieder einsteigen: Da übernahm er bis 1954 die Leitung des wieder aufzubauenden Dürener Eifelvereins.

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