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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Wie Lothar von Trotha seinen Lebensabend in Bonn verbrachte

Er war 1904 verantwortlich für den Völkermord an den Herero und Nama. Wie die Bad Godesberger Heimatblätter zeigen, wurde der Generalleutnant zu seiner Zeit in der Bundesstadt alles andere als kritisch gesehen

(13. März 2024, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | Zu dem älteren Herrn, der da seit Mitte 1906 im vormaligen herrschaftlichen Haus Rheinallee 1 residierte, blickten die Godesberger auf. Welch eine Ehre, dass „der ruhmreiche Führer der Deutschen in dem südwestafrikanischen Kampf, seine Exzellenz Generalleutnant von Trotha“, wie er auf örtlichen Veranstaltungen eingeführt wurde, mitten unter ihnen lebte. Gemeint ist Lothar von Trotha (1848-1920), der bis 1909 gut drei Jahre und dann noch einmal (zwischen 1913 und 1918) fünf Jahre Godesberger war. Für die letzten beiden Lebensjahre wechselte er noch nach Bonn. Etwa bei nationalliberalen Wählerveranstaltungen 1909 im Godesberger Kurpark erntete der Mann, der 1910 vom deutschen Kaiser sogar noch zum General befördert werden sollte, als „erste Autorität für die südwestafrikanische Frage“ nur „stürmische Beifallsspenden“. Da hatte er wieder einmal seinen blutigen Vernichtungskrieg gegen afrikanische Völker von 1904 vollmundig als „notwendiges Übel“ verharmlost.

Lokalhistoriker Bernd Birkholz hat sich in einem Beitrag der kommenden Heimatblätter, der dem GA schon vorliegt, auf die Spur dieses Mitbürgers gemacht, der einst so geschätzt wurde. „Ich war auf ihn aufmerksam geworden, weil das 1937 abgebrochene Gebäude Rheinallee 1, wo danach die Sparkasse entstand, in Quellen gerne ‚Villa von Trotha‘ genannt wurde“, berichtet Birkholz. Und wirklich: Der Villenbesitzer ab 1906 war wirklich mit dem vormaligen Gouverneur und Oberkommandeur in Deutsch-Südwestafrika identisch. Mit dem Mann also, der 1904 als, wie er sich selbst bezeichnete, „großer General des mächtigen deutschen Kaisers“ den Vernichtungsbefehl für alle im heutigen Zentralnamibia einheimischen Herero und Nama gegeben hatte: zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Als gnadenlos, verblendet von kolonialem Wahn, als Sendboten von Gewalt, Diskriminierung und Rassismus sollte die deutsche Entwicklungsministerin den einstigen Gouverneur 100 Jahre danach kritisieren, als sie 2004 in Namibia um Vergebung bat. In Bonn, wo von Trotha auf dem Poppelsdorfer Friedhof in einem denkmalgeschützten Teil beerdigt ist, forderte 2010 die Initiativgruppe „Bonn postkolonial“ von der Stadt, das Grab kenntlich in den historischen Zusammenhang zu setzen. Seit 2022 ist nun im Informationskasten am Friedhof zu lesen, dass von Trotha „verantwortlich für den Tod von Zehntausenden von Kindern, Frauen und Männern der einheimischen Herero und Nama“ war. Auch das Projekt „Aktive Erinnerungskultur“, zu dem in diesem Jahr Ergebnisse erwartet werden, soll sich mit dem Fall beschäftigen.

Heimatforscher Birkholz zeigt nun, wie verwurzelt Lothar von Trotha in seinem letzten Lebensjahrzehnt in Bonn und Godesberg war und wie viele Unterstützer der damaligen Kolonialpolitik ihm auch hier zujubelten. Und er widerlegt letztlich damit Kulturdezernentin Birgit Schneider-Bönninger, die 2020 dem GA noch gesagt hatte, eine Beziehung von Trothas zu Bonn bestehe eigentlich nur darin, dass er in Bonn gestorben sei. Birkholz hat reiches Quellenmaterial spektakulärer Auftritte des Generals vor Ort ausgegraben. Danach wurde der Neubürger auf jeden Fall bis 1909 in Godesberg, Bonn und der Region bei so gut wie jedem Event mit militärischem oder Kolonialbezug als Ehrengast geladen.

Als Pensionär bereicherte von Trotha selbstverständlich die Fahnenweihe-Feste des Garde-Vereins Godesberg. Er trat bei den jährlichen zweitägigen Kolonialfesten der Godesberger Ortsgruppe des Frauenbundes der deutschen Kolonialgesellschaft auf und brachte dort auch noch ungeniert seine afrikanischen Trophäen, also Löwenfelle, Gehörne von Antilopen und Eingeborenenschmuck, zur Ausstellung. Er wurde zu elitären Rektoratsessen in der Bonner Universität geladen und dort für seine afrikanischen „Heldentaten … umgeben vom tückischen Feind“ gefeiert.

Der Mann, der 1904 verfügt hatte: „Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen“, der Mann, der die hilflosen Flüchtlinge dann einkesseln und verhungern ließ, trat am Rhein gerne auch im Beisein von Preußenprinzen bei militärischen Reitveranstaltungen auf der Hangelarer Heide auf. „Der Generalleutnant war also ein Publikumsmagnet“, sagt Birkholz. Seine Reden trafen in einer Gesellschaft auf fruchtbaren Boden, in der sich die Mitgliederlisten der sogenannten Deutschen Kolonialgesellschaften, die auch in Bonn und Godesberg schlichtweg Propaganda für erbarmungslose Kolonialpolitik betrieben, als Who’s who der jeweils vor Ort wichtigen Geschäftsleute und Honoratioren lasen.

Den von Trothas jedenfalls muss es, als sie sich von 1913 bis 1918 in einer Villa in der Plittersdorfer Straße 95 einmieteten, weiterhin sehr gut in Godesberg gegangen sein, hat Birkholz recherchiert. Während die zweite, deutlich jüngere Ehefrau mit Turniererfolgen Tennis spielte, erholte sich der stolze Herero-Schlächter in der Umgebung bei seiner Passion: dem Jagen.

GESCHICHTE – Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts

In dem bis 1908 andauernden Krieg mit deutschen Truppen im heutigen Namibia starben geschätzt etwa 65.000 Herero und 10.000 Menschen aus der Volksgruppe der Nama. Die Bewertungen der Taten Lothar von Trothas waren schon zu seiner Zeit unterschiedlich. Kaiser Wilhelm II. galt dessen Vorgehen gegen die afrikanischen Völker sogar als nicht hart genug. Der damalige Reichstag jedoch setzte von Trotha alsbald Grenzen, sodass er 1905 nach Deutschland zurückbeordert wurde.
Der Beitrag von Bernd Birkholz wird in der kommenden Ausgabe der „Heimatblätter“ des Godesberger Heimat- und Geschichtsvereins erscheinen. ham

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