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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Stadt lebt auch von der Dimension Zeit – „Im Prinzip fehlt vieles“

Das Interview: Karnevalsorden reichen nicht

(Dezember 2023, Haus & Grund aktuell)

Eine stärkere Beachtung der Geschichte von Bad Godesberg im StadtMuseum haben kürzlich eine Reihe von Institutionen gefordert. Haus & Grund aktuell sprach mit Dr. Iris Henseler-Unger, der 1. Vorsitzenden des Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V. Die Fragen stellte Friedel Frechen

„Godesberger wollen Ihre Geschichte im Stadtmuseum wiederfinden“, heißt es in einer Überschrift des General-Anzeigers. Warum diese Forderung?

Zur Lebensqualität vor Ort ist für mich wichtig, dass ich regionale Geschichte, Begebenheiten, Orte und Persönlichkeiten kenne. Daher engagiere ich mich im Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg. Eine Stadt besteht nicht nur aus drei Dimensionen mit Straßen und Häusern, sondern sie lebt auch aus der vierten, der Zeit. Für mich und für viele andere ist daher ein Museum unerlässlich, das Geschichte erfahrbar werden lässt. Für Bad Godesberg fehlt dies. Die Sammlung des Bad Godesberger Heimatmuseums ist leider in der NS-Zeit geschlossen worden. Die Bestände wurden zerstreut.

Was fehlt im Stadtmuseum?

Die aktuelle Ausstellung im Bonner StadtMuseum spiegelt eigentlich nur die Geschichte von Alt-Bonn wider. Sie basiert im Wesentlichen auf der Sammlung des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins. Stücke aus Bad Godesberg gibt es nur wenige, wohl größtenteils Karnevalsorden. Nun steht mit dem Umzug des Stadtmuseums aus dem Viktoria-Carré in neue Räume eine Neukonzeption des Museums an. Über 50 Jahre nach der Eingemeindung 1969 gilt: Das neue Museum muss nun ganz Bonn präsentieren, es wird ja das Stadtmuseum sein! Dabei geht es um eine qualitativ und quantitativ angemessene Präsentation des Stadtbezirks. Bad Godesberg hat sich bis zum Jahr der Eingemeindung eigenständig entwickelt und war keineswegs ein bloßes Anhängsel von Bonn.

Was braucht die neue Präsentation?

Im Prinzip fehlt vieles! Das Bonner Stadtmuseum hat zu Bad Godesberg offenbar nie systematisch gesammelt. Ich vermisse so eine geschichtliche Auseinandersetzung z.B. mit der Römerzeit in Bad Godesberg mit ihren bemerkenswerten Funden einer großen römischen Anlage in Friesdorf, mit dem Mittelalter, in dem die Burg zeitweise Residenz des Kölner Kurfürsten war, mit der Kur- und Badetradition, der wir z.B. den Draitschbrunnen und die Redoute zu verdanken haben, oder der Funktion als Diplomatenstadt, ohne die Bonn nicht die Hauptstadtfunktion hätte wahrnehmen können.

Mit wem sprechen Sie über die Misere?

Gemeinsam mit den Machern des Stadtmuseums haben wir in zwei Workshops mit vielen Bad Godesberger Geschichtsinteressierten 7½ eng beschriebene Seiten mit Stichworten zur Bad Godesberger Geschichte zusammengestellt – und ich bin sicher, dass wir immer noch nicht alle Personen, Orte und Begebenheiten, die die örtliche Geschichte repräsentieren, erfasst haben!

Was muss jetzt passieren?

Die Geschichte der Stadt Bonn ist ohne Einbeziehung Bad Godesbergs unvollständig. Eine angemessene Darstellung im neuen Stadtmuseum ist nicht nur eine überfällige Aufwertung Bad Godesbergs, sondern von Bonn insgesamt! Die Macher des neuen Stadtmuseums und die Verwaltung der Stadt Bonn müssen sich der Geschichte aller Stadtbezirke von Bonn stellen. Die Stadt Bonn lebt nur aus der Vielfalt ihrer Stadtbezirke!

Gibt es bereits ein Ausstellungskonzept?

Leider nein. Seit der Neubesetzung der Stelle der Museumsleitung vor mehr als zweieinhalb Jahren liegt noch nicht einmal der Entwurf dazu vor. Ein attraktives Konzept ist notwendiger denn je, da das neue Stadtmuseum, das nach jetzigem Beratungsstand in der Rathausgasse 7 untergebracht werden soll, weniger Fläche haben wird. Nur auf der Basis eines klaren Plans kann z.B. eine zielgerichtete Sammlung von Exponaten stattfinden.

Welche Exponate oder Ereignisse aus Bad Godesberg müssen in der Stadtgeschichte erscheinen, um der historischen und aktuellen Bedeutung Bad Godesbergs gerecht zu werden?

Wie die für Bad Godesberg richtungsweisenden Entwicklungen und Personen im zukünftigen Stadtmuseum dargestellt werden, muss nun in einem nächsten Schritt entschieden werden. Das, was man in der Ausstellung zeigen kann, bewegt sich ja im Spannungsfeld zwischen Verfügbarkeit der Exponate oder ihrer digitalen Abbilder, dem notwendigen Raumbedarf und der gewünschten Aussagekraft.

Ist genügend Material vorhanden?

Nein. Ohne die privaten Sammler aus Bad Godesberg wird eine Ausstellung im neuen Stadtmuseum nicht möglich sein! Angesichts der Defizite der aktuellen Sammlung fehlt es wohl an vielen Ecken und Enden! Ich habe ja bereits oben einige aus meiner Sicht zentrale Godesberger Themen genannt. Aber auch das Aennchen, die Zeit des Nationalsozialismus oder der Bau des ersten Theaters nach dem Krieg und der Stadthalle sind spannende Themen.

Das sieht nach Arbeit aus!

Gerade die Prioritätensetzung wird noch viel Kraft fordern! Ich kann mir auch Wechselausstellungen zu Schwerpunkten wie zur Amerikanischen Siedlung vorstellen. Ohne ein visionäres Konzept wird man nicht loslegen können. Es wird wohl eine Interimslösung für das Museum geben, da der Auszug aus den alten Räumen erfolgen wird, bevor die neuen Räume bezugsfertig sind. Das ist einerseits schlecht, da es die Gefahr birgt, dass das Museum in Kartons und Kisten landet und auf Dauer im Depot verschwindet. Andererseits, wenn diese Zwischenzeit partout nicht zu vermeiden ist, gibt es die notwendige Zeit, eine spannende Sammlung zu Bad Godesberg aufzubauen! Vielleicht finden wir noch Schätze, die gehoben werden können.

Frau Henseler-Unger, danke für das Gespräch

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