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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Als in der Redoute Roulettekugeln rollten

Tourismusförderung durch den Kurfürsten Max Franz in Bad Godesberg: Von 1792 bis 1815 diente der Prachtbau als Casino

(24. Juli 2023, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | Spielte Johann Wolfgang von Goethe 1792 in der Godesberger Redoute Roulette? Saß womöglich seine ehemalige Geliebte Charlotte Buff, „die Lotte“ aus dem Frühwerk „Leiden des jungen Werther“, mit am Tisch? Und setzte nebenan Goethes Weimarer Arbeitgeber, Herzog Carl August, Geld? Das suggeriert jedenfalls eine große Beilage des General-Anzeigers Bonn vom 17. Juni 1925, die GA-Leser Klaus Rick aufgespürt hat. Darin wird der 1925 aufsehenerregende Fund eines „alten Stammbuchs aus Godesberger Privatbesitz“ von Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt gegeben. Darin waren eine ganze Reihe damalige Prominente abgebildet: angeblich Vertreter der „buntscheckigen aufgeklärten Spielergesellschaft“, die ab 1792 „im heute noch erhaltenen klassizistischen Spieltempel zusammenströmte, um ihre Gulden mit Anstand loszuwerden“, wie es im Artikel hieß.

Eine einheimische Lotte Becker habe um 1800 in einem Lederetui ein Stammbüchlein mit damals modischen Silhouettenbildern verwahrt, die zum Thema Godesberg illustre Spieler-Promis im Schwarz-Weiß-Profil zeigten, behauptete der GA 1925. Hatte da also, heutigen Event-Fotografen gleich, schon 1792 jemand ein- und ausgehende Spieler erfasst und in Scherenschnitt-ähnlichen Portraits festgehalten, wie es der Autor vermutete?

Tatsache ist, dass der Kölner Kurfürst Max Franz (1756-1801) im Jahr 1792 für den von ihm errichteten Kurort an der Draitschquelle die Redoute als Repräsentationsbau für Musik, Theater, Tanz und Spiel eröffnet hatte. Alsbald wurde auch zu Konzerten des kurfürstlichen Hoforchesters geladen, in dem der junge Ludwig van Beethoven Violine und Bratsche spielte. Im Juli 1792 gab es vor Ort das berühmte Zusammentreffen Josef Haydns mit dem Jungstar – und nebenan im Casino dürfte um Geld gespielt worden sein. Bis der Kurfürst 1794 vor französischen Truppen floh, wohlhabende Bürger aber die Lücke füllten und die Spielbank erst 1815 von der Preußischen Regierung geschlossen wurde.

Aber trafen sich hier absurderweise Goethe, sein Herzog und seine Verflossene am Roulettetisch wieder? Martin Ammermüller, der ehemalige Vorsitzende des Heimatvereins, sieht die Blätter der Lotte Becker kritisch. Was heißen dürfte: Dem GA-Autor von 1925 gingen in der Bewertung des Materials die Pferde durch. Ammermüller erachtet aber die Frage durchaus als interessant, warum der Kurfürst das Glücksspiel hier installierte: Dessen Einnahmen sollten nämlich durch eine „Admodiationsgesellschaft“ den Kurort mitfinanzieren und dem Kurfürsten selbst eine jährliche Abgabe sichern. Da konnte also nicht genug die Werbetrommel gerührt werden – etwa auch mit dem bekannten Gutachten des Heilwassers durch Ferdinand Wurzer, so Ammermüller.

In Fräulein Beckers Stammbuch dürfte wiederum das Prinzip „Promis werben für Produkte“ geherrscht haben. Jahrhunderte bevor es auf Plakaten, im Fernsehen und in den sozialen Medien nur so vor Stars als Markenbotschafter wimmelte, setzten also auch um 1800 schon Menschen auf den Effekt bekannter Gesichter, und zwar in Form der damals modischen Profilbilder. Jedoch dürfte Goethe (1749 – 1832) an der Seite seines Herzogs 1792 auf dem verlustreichen Rückzug vom preußisch-österreichischen Krieg gegen die Revolutionsarmee der Franzosen wohl kaum Lust aufs Glücksspiel gehabt haben. In seiner „Kampagne in Frankreich“ erwähnt er nur eine damalige Stippvisite in Düsseldorf, der Kultur wegen.

Seine Lotte aus Wetzlar (1753 – 1828), verheiratete Kestner, trieb sich 1792 als Mutter von zwölf Kindern sicher auch nicht in Godesbergs Spielhölle herum. Nur zwei der in Beckers Büchlein abgebildeten Glücksspielfreunde könnten wirklich unter den Kristallleuchtern der Re doute Vergnügen gefunden haben: zum einen „unser lieber Herr Bürgermeister“, der ungenannt bleibt. Obwohl, wie der GA 1925 erinnerte, Einheimischen damals das Spiel verboten war, „eine Maßregel, die sicher nicht strikt eingehalten wurde.“ Zum anderen Helene von Breuning (1750-1838), 1792 Bonner Hofratswitwe mit offenem Haus am Münsterplatz: Auch im Zuge ihrer Bemühungen, den jungen Beethoven in die Gesellschaft einzuführen, war die Abgebildete sicher wirklich in der Redoute.

Das Gros der Gäste, die seit 1792 ganz real die Spielbank des Kurfürsten nutzten, waren aber wohl eher vom Kaliber des Würzburger Chemieprofessors Johann Georg Pickel, der genau in dem Jahr muntere Briefe aus dem gerade gegründeten Kurort s chrieb. Norbert Flörken hat sie, wie berichtet , 2022 unter dem Titel „Briefe eines Reisenden an seinen Freund über den Aufenthalt beim Godesberger Gesundheitsbrunnen“ herausgegeben. An den Abenden habe er kulturell „liebliche Lustbarkeiten“ in der Redoute genossen, schrieb der launige Herr Pickel 1792. Doch wenn zweimal die Woche die jüngeren Schönheiten Walzer im Tanzsaal „herunterrissen“ und deren „gravitätischen Mamas“ nebenan „Geschichtchen“ teilten, dann suchte der Professor doch lieber Zuflucht: am nahen Spieltisch.

HEUTE – Casino-Pläne der Jungen Union für die Redoute

Die Redoute als Spielcasino? Diese Idee verfolgte auch heutzutage noch einmal die Godesberger Bezirksvertretung. Wie der GA berichtete, hatte die örtliche Junge Union 2007 den Antrag eingebracht, das ehemals kurfürstliche Gebäude noch einmal als Spielbank zu nutzen und damit Bad Godesberg als Kur-, Tourismus- und Hotelstandort aufzuwerten. Der Vorschlag sei in der Vergangenheit am NRW-Spielbankgesetz gescheitert, das man eben ändern müsse, so die jungen CDU-Politiker. Es müsse eine Sonderlizenz für die Redoute her. Offensichtlich fand der Antrag 2007 keine Mehrheit. ham

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