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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Vom Kloster zum Bauernhof

Gut Marienforst war früher ein Wallfahrtsort. Heute ist hinter den historischen Mauern ein moderner Milchbetrieb

(26. Mai 2023, General-Anzeiger)

VON PETRA REUTER

BAD GODESBERG |. Gut Marienforst fällt vor allem durch die gut erhaltenen Klostermauern auf. Was sich dahinter verbirgt, können Interessierte jetzt auf einer neuen Informationstafel entdecken. Der Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg hat am Donnerstag seine 57. Tafel vorgestellt. Besucher können die wechselvolle Historie des ursprünglichen Klosters nachvollziehen. Historiker Norbert Schloßmacher vom Heimatverein und die aktuellen Besitzer der Immobilie, Philip Huttrop und Wilfried Fahnenstich, berichteten von der Entwicklung des Areals vom 13. Jahrhundert bis heute.

Als Frauenkloster „Conventus apud Cottenvorst“ fand das heutige Gut Marienforst im Jahr 1228 erstmals Eingang in historische Schriften. Im 13. Jahrhundert lebte die Ordensgemeinschaft nach der Augustiner-Regel. Man verzichtete auf persönlichen Besitz, betete, lebte in Frieden und Eintracht und erinnerte sich innerhalb einer hierarchischen Ordnung gegenseitig an die Regeln. Erzbischof Dietrich von Moers übertrug 1450 das Kloster Marienforst dem Birgitten-Orden, wodurch ein geschlechtergetrenntes Doppelkloster entstand. Zwar gab es eine klare Trennung und Oberhäupter für den männlichen ebenso wie für den weiblichen Konvent. Das Sagen hatte hier jedoch eine Äbtissin, berichtete Schloßmacher.

Ludwig van Beethoven spielte die Orgel der Klosterkirche

Im 17. Jahrhundert gewann das Gut wegen einer dort gelagerten Reliquie des heiligen Sebastian als regionaler Wallfahrtsort an Bedeutung. Zum Ende des 18. Jahrhunderts lebten hier 21 Ordensfrauen und 14 Ordensmänner mit 30 Angestellten. Bei einem Besuch des Klosters Anfang der 1790er Jahre soll Ludwig van Beethoven die Orgel der Klosterkirche gespielt haben.

1802 übernahm der Beethoven-Lehrer und kurfürstliche Hofmusiker Franz Anton Ries im Zuge der Säkularisierung die Verantwortung für das Gut. In den ersten Jahren diente die Klosterkirche rund eineinhalb Jahre als Pfarrkirche für Bad Godesberg. „Diese Funktion übernahm 1804 die heutige Michaelskapelle“, erklärte Schloßmacher. Der Besitz des Klosters wurde verkauft und Teile der Anlage, darunter auch die Klosterkirche, abgerissen. Aus klösterlicher Zeit erhalten haben sich Teile des Äbtissinnenhauses von 1752, ein Backhaus, das Eingangstor von 1652 und Teile der Klostermauern. Die Scheune und die Villa von 1882 sind Neubauten des damaligen Besitzers Friedrich August Engels.

Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte infolge des Ersten Weltkriegs allgemeine Lebensmittelknappheit, berichtete Bernd Birkholz, zweiter Vorsitzender des Heimatvereins. Seit Anfang der 1930er Jahre gehörte das Gut den Vorfahren des heutigen Landwirts und Betriebsleiters Philip Huttrop. Ihnen hatte die damalige Gemeinde Bad Godesberg zehn gemeindeeigene Kühe anvertraut, um die Milchversorgung der Bevölkerung zu sichern.

Allerdings fand man bei einer Revision ein halbes Jahr später zehn andere Kühe anstatt der ursprünglich angelieferten vor. Nach einigem Rätselraten und Argwohn gegenüber dem Landwirt erfuhren die Gemeindeverantwortlichen den Grund für den mysteriösen Tiertauschs: Der Landwirt hatte die Gemeindekühe wegen einer Tierseuche gegen eigene Tiere ausgetauscht, um die Milchversorgung der Bevölkerung nicht zu gefährden.

Heute läuft der landwirtschaftliche Betrieb von Philip Huttrop in der dritten Generation getrennt von der ebenfalls auf dem Areal befindlichen Villa, in der Huttrops Vater noch aufwuchs. Während vom Mittelalter bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts noch das volle Spektrum der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion im Betrieb abgebildet wurde, habe die Marktentwicklung der letzten 70 bis 80 Jahre die Landwirte zur Spezialisierung gezwungen, sagte Huttrop. So sei der heute naturnah geführte reine Milchviehbetrieb entstanden.

Kälber werden von Muttertieren gesäugt

Bei der Weidehaltung werden die Kälber von Muttertieren gesäugt. Zwar gäben seine Tiere im Vergleich zu einer einzeln in einer Zelle gehaltenen Hochleistungskuh knapp zehn Prozent weniger Milch, dafür seien seine Tiere insgesamt gesünder und garantierten hohe Produktqualitäten bei Milch und Fleisch, so der Diplom-Landwirt. Das frisch geborene Kälbchen Fine war am Mittwoch an seinem ersten Lebenstag noch im Stall.

Der Heimatverein hatte sich Mitte 2012 zum Ziel gesetzt, wichtige historische Gebäude im Stadtbezirk mit Infotafeln auszustatten. Ein QR-Code führt zu weiteren Informationen auf der Homepage, so auch zu den Sehenswürdigkeiten von Schweinheim samt Gut Marienforst. Der Heimatverein will jetzt noch weitere Lücken bei seinen Infotafeln schließen. Dazu gehören unter anderem die Muffendorfer Kommende und das Weinhäuschen in Mehlem.

DAS GUT HEUTE – Rohmilch und Schiedsgerichtsbarkeit

Heute leben und arbeiten auf dem Gut Marienforst die Familie Huttrop und ein Angestellter. An modernen Automaten können Kunden auch außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten einkaufen. Bei der gekühlten Milch im Automaten handelt es sich um Rohmilch. Die Villa auf dem Areal erwarb 1999 der Pecher Wilfried Fahnenstich. Er baute sie umfangreich um. Inzwischen residiert hier die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit. rep

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