Wappen von Bad Godesberg
VHH
Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Familie saniert die Bürgermeistervilla

Anton Dengler sorgte dafür, dass Godesberg zum Villen- und Kurort wurde. Historische Details bleiben erhalten

(11. April 2023, General-Anzeiger)

VON BETTINA KÖHL

BAD GODESBERG. | Mit rund 400 Quadratmetern Wohnfläche ist die Villa Dengler doppelt so groß wie das, was Familie Stanzl eigentlich gesucht hatte. Ein unscheinbares Inserat auf einem Immobilienportal, ohne Fotos und mit oberflächlicher Beschreibung, weckte die Neugier von Thomas und Elisabeth Stanzl, als sie nach sieben Jahren in Berlin ein Haus in Bonn suchten.

„Die Verkäuferin wollte das Haus in guten Händen sehen“, berichtet Thomas Stanzl. Eine Familie mit zwei Kindern, die laut ihrem Bewerbungsschreiben Altes mit Neuem verbinden wollte, kam da offenbar gerade recht. Es ist nicht irgendeine Villa, in die die Stanzls bald an der Koblenzer Straße 90 einziehen: Erbauer im Jahr 1906 war Bürgermeister Anton Dengler, der das dörfliche Godesberg während seiner Amtszeit zu einem Villen- und Badeort machte.

Von seiner Villa „im Heimatstil mit dekorativen Elementen aus dem Jugendstil“, so die Beschreibung für die aktuelle Eintragung in die Denkmalliste, konnte Dengler auf eines seiner Werke schauen: Den neuen Kurpark, für den er private Grundstücke aufkaufen ließ. Geplant wurde sein Wohnhaus von den Berliner Architekten Erdmann und Spindler. Die beauftragte Baugesellschaft von Theodor Wilhelm Düren errichtete später in unmittelbarer Nähe weitere hochherrschaftliche Landhäuser.

An der Fassade der Villa, deren Putz gerade gereinigt wurde, ist der Name „Haus Dengler“ zu lesen. Ein frischer Anstrich war gar nicht nötig. „Kellenwurfputz ist das Nobelste, was es zur damaligen Zeit gab“, sagt Architekt Stefan Schevardo, der die Sanierung der Villa geplant hat. Kombiniert mit Naturstein gab der Putz dem Haus zugleich etwas Bodenständiges.

Hinter Folien und Gerüsten lässt sich erahnen, dass das Haus auch nach einigen Umbauten und einer Nutzung als Arztpraxis viel von seinem historischen Charme behalten hat. Die Türen und die Vertäfelung mit Eichenholz im historischen Treppenhaus werden die Bauherren ebenso wie die alten Heizkörper erhalten. Außerdem kam hinter den abgehängten Decken im Erdgeschoss dekorativer Stuck zum Vorschein. Die Stanzls packen bei der Sanierung selbst mit an und haben mit Freunden und Familie alleine rund 1000 Quadratmeter Tapete entfernt. Demnächst zieht smarte Haustechnik ein, die wahrscheinlich auch dem innovativen Bürgermeister Dengler gefallen hätte.

Auf ihn gehen Errungenschaften wie Kanalisation, Wasser- und Stromversorgung in Godesberg zurück. Außerdem ließ er das Rheinufer mit Dampfschiffstationen an Bastei, Panoramapark und Rheinpromenade gestalten. Dengler wurde 1852 in Bayern geboren. Er wechselte nach einer militärischen Laufbahn ins Verwaltungsfach und war zunächst acht Jahre lang Bürgermeister von Bornheim. Am 25. Oktober 1888 wurde er in sein Amt als Bürgermeister der Landgemeinde Godesberg eingeführt. Er vereinigte Alt-Godesberg zunächst mit Plittersdorf und Rüngsdorf und schaffte so die Verbindung zum Rhein. Später wurde auch noch Friesdorf eingemeindet.

Vor allem das Godesberger Villenviertel trägt die Handschrift von Anton Dengler. Um zahlungskräftige Neubürger anzulocken, verlagerte er die „Schornstein-Indus­trie“ nach Friesdorf im Norden oder nach Lannesdorf und Mehlem im Süden. 1905 veranlasste Dengler die Gründung des Verkehrsvereins, um den Kurbetrieb mit Hotels und Gastronomie anzukurbeln.

Mit seiner Frau Luise hatte Dengler drei Töchter und einen Sohn, der im Ersten Weltkrieg in Frankreich fiel. Der Vater starb nur vier Wochen später am 28. September 1914 in seiner Villa. Der Trauerzug mit über 40 Vereinen führte über die Koblenzer Straße bis zum Burgfriedhof.

Luise Dengler blieb in der Villa wohnen, die nach ihrem Tod 1931 an Josef Schäfer aus Bad Godesberg verkauft wurde. Er ließ unter anderem die repräsentative Gartentreppe abreißen und die Balustrade entfernen. „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Dachgeschoss eine offene Loggia für Sonnenbäder für den aus dem Krieg heimgekehrten und schwer kriegsbeschädigten Sohn, der auf ärztliche Anordnung tägliche Sonnenbäder nehmen musste, errichtet“, hat Architekt Schevardo recherchiert.

Ansonsten ist noch viel von der ursprünglichen Raumaufteilung erhalten: In den repräsentativen Wohnräumen des Erdgeschosses konnte Bürgermeister Dengler Gäste in angemessenem Rahmen empfangen und sie im Speisesaal zu Banketten einladen. Familie Stanzl will den größten Raum im Erdgeschoss zur Küche machen.

400 Quadratmeter zum Wohnen und Arbeiten: „Es war sehr viel Vorstellungskraft gefragt“, sagt Thomas Stanzl. Der 37-Jährige und seine 30-jährige Frau werden sich im neuen Haus auch Büros einrichten. Bis zum 1. Juni muss alles fertig sein, dann läuft die Zwischenmiete für ihr aktuelles Haus ab.

DENGLERSTRASSE – Benennung noch zu Lebzeiten

Die Denglerstraße verbindet das Godesberger Villenviertel mit Plittersdorf. Heute werden Straßen nicht mehr nach lebenden Personen benannt. Bürgermeister Anton Dengler wurde mit der Benennung schon in der Mitte seiner gut 25-jährigen Amtszeit ein Denkmal gesetzt. Am 15. September 1899 hatte die Bau- und Wegebaukommission den Beschluss gefasst, „dass die neue Straße von der Auguste-Viktoria-Straße (Kinderheilanstalt) zur Cahn´schen Villa Denglerstraße, der auf ihr befindliche Platz Denglerplatz zu nennen sei, in Anbetracht der großen Verdienste, die sich der Bürgermeister um die Entwicklung Godesbergs erworben“. 1903 beschloss das auch der Gemeinderat. Laut den Godesberger Heimatblättern, Band 1, wurde die Bezeichnung Denglerplatz offenbar später fallengelassen. Sie taucht auch in den Straßenverzeichnissen nicht auf. koe

Menü