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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Das Wirken der Lucy Hoesch-Ernst

Psychologin lebte einst in der Kurfürstenallee in Godesberg. Martin Ammermüller hat sich auf ihre Spuren gemacht

(22. Februar 2023, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | Martin Ammermüller ist eigentlich als nüchterner Jurist und Heimatforscher bekannt. „Dieses Mal bin ich ausnahmsweise einmal emotional geworden, weil mich Lucy Hoesch-Ernst sehr beschäftigt hat“, erklärt der vormalige Vorsitzende des Godesberger Heimatvereins im Gespräch mit dem GA. Für dessen demnächst erscheinende Heimatblätter hat Ammermüller das Leben der bislang in Godesberg vergessenen prominenten Psychologin Hoesch-Ernst (1864 bis 1944) unter die Lupe genommen. Und sich von ihrem gerade in ihrer Zeit aufsehenerregenden unbedingten Pazifismus faszinieren lassen.

„Die von ihr befürchtete Selbstvernichtung der Menschheit durch große Kriege, insbesondere durch Gas, ist zwar bisher nicht eingetreten“, sagt der Rechercheur. „Aber die Gefahr ist durch die neuen Atombomben weitergewachsen. Und daneben ist gleichermaßen die Klimakatastrophe getreten.“ Das Anliegen dieser „Lucy“ sei also hochaktuell. Hoesch-Ernst war eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Frau, hat Ammermüller herausgefunden. 1895 kam die reiche Unternehmerstochter mit ihrer verwitweten Mutter Maria Hoesch nach Godesberg, von wo aus sie nach dem Tod der Mutter 1931 vor den Nazis ins Exil nach Großbritannien fliehen sollte. 1895 war sie gerade von ihrem ersten Ehemann, dem Architekten Johann Georg Wilhelm Frentzen, geschieden worden. Ammermüller vermutet, dass dem Herrn Gemahl die öffentlichen Angriffe seiner Frau auf Männer an sich und auf deren ungerechtfertigte Besserstellung in der damaligen Gesellschaft kaum gefallen haben dürften: Die Gemahlin hatte sich seit 1892 mit Schriften wie „Wo liegt die Schuld?“ erste schriftstellerische Sporen verdient.

1895 war Lucy Hoesch in den zuvor vom Kölner Bankier Adolph vom Rath gekauften Sommervillen in der heutigen Godesberger Kurfürstenallee 5 und 6 eingezogen, in deren freie Fläche bis heute die zugemauerte Loggia mit repräsentativen Säulen prangt. Lange Zeit am Stück mag die politisch immer reger werdende Frau zwar nicht nahe der Redoute verbracht haben: Gesundheitlich sei es ihr im Rheintal nie gut gegangen, ist überliefert. Von Godesberg aus sollte sie immer wieder nah und fern zu Kongressen unterwegs sein.

Als Lucy Ernst geborene Hoesch schrieb sie sich 1902 dann im damals neuen Fach Psychologie an der Universität Zürich ein. Vorher hatte sie den amerikanischen Kommilitonen George Ernst geheiratet und hatte ab da die doppelte Staatsbürgerschaft.

Über diese zehn Jahre später geschiedene Ehe sei auch ihm fast nichts bekannt geworden, gibt Ammermüller zu. Doch Hoesch-Ernst sollte ab 1906 mit ihrer Dissertation und dann ihren Vorträgen wissenschaftlich von sich reden machen.

Die kreisten bald auch immer mehr um die Rechte der Frau sowie um ihren mutig vorgetragenen Pazifismus. Deshalb landete sie 1916 im Ersten Weltkrieg in Bayern sogar im Gefängnis und wurde nur unter der Bedingung freigelassen, dass sie sich doch bitte in Godesberg aufhalten und auf jegliche pazifistische Tätigkeit verzichten möge.

Kaum war der Krieg vorbei, brach Hoesch-Ernst, die vier Pflegekinder versorgte, wieder mit Kampfesgeist als Psychologin und Rednerin auf: „Ich bin kein Freund von Kompromissen. Ich habe das durch mein bisheriges Leben gezeigt; ich habe deswegen im Gefängnis gesessen“, schrieb sie. Konsequent erkannte sie schließlich schon 1931 die verhängnisvolle politische Entwicklung in Deutschland, verkaufte ihre zwei Godesberger Häuser und zog, obwohl sie schon über 60 Jahre alt war, nach England, wo sie schließlich 1944 starb.

Und wie beurteilt Martin Ammermüller aus heutiger Sicht das Wirken der ehemaligen Godesberger Bürgerin? In seinen Augen sei Lucy Hoesch-Ernst keine waschechte Feministin gewesen, da das Thema der Gleichstellung von Mann und Frau nach ihrem erfolgreichen Psychologiestudium von nachrangiger Bedeutung gewesen sei, meint er.

Dennoch habe sie wie viele feministische Pazifistinnen dafür eingestanden, dass gerade Frauen wegen ihrer Gebärfähigkeit eine andere Einstellung zur Vernichtung von Menschen im Krieg hätten als Männer. Denn sie ließen sich besonders von der Technik der Waffen faszinieren, selbst männliche Pazifisten. „Daher müssten die Frauen die Männer an die Hand nehmen – wie die große Schwester ihren kleinen Bruder“, interpretiert Ammermüller Hoesch-Ernsts Anliegen.

„Die bisher unbekannte Lucy gehört zu Godesberg, auch wenn sie von dem hiesigen Klima und ihrer Unterkunft wenig begeistert war“, meint Ammermüller und kommt noch einmal auf ihren politischen Anspruch zurück. Als Reserveoffizier und Sohn eines Generalarztes habe er persönlich anfangs mit ihrem kompromisslosen Pazifismus wenig anfangen können. „Aber dass die Völker trotz aller Hindernisse zur Zusammenarbeit verdammt sind und nicht der Stärkere letztlich siegen darf, wurde dank der Beschäftigung mit Lucy und ihrer Argumentation auch zunehmend meine Überzeugung.“

JUBILÄUM – Martin Ammermüller wird 80

Am 24. Februar feiert der promovierte Jurist, der hauptberuflich zuvor Präsident des Bundesversicherungsamtes war, seinen 80. Geburtstag. Ammermüller hatte den Vorsitz des Godesberger Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte bis 2018 zwölf Jahre lang inne. Höhepunkte seiner engagierten Arbeit war die Neugestaltung des Draitschbrunnens an der Brunnenallee von 2015 und die Komplettsanierung der dem Verein vererbten heutigen Zentrale in der Augustastraße. Die von ihm in dieser Zeit betreuten Heimatblätter erscheinen demnächst mit seinem Beitrag über Lucy Hoesch-Ernst in ihrer Ausgabe des Jahres 2023. ham

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