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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Ein Tausendsassa verändert Godesberg

GESCHICHTEN AM GRAB Der Pfarrer Julius Axenfeld gründete Ende des 19. Jahrhunderts fast ein Dutzend Godesberger Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Begraben ist er auf dem Burgfriedhof neben katholischen Priestern

(17. Januar 2023, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | Zu seiner Beerdigung im Juli 1896 sollen die Godesberger nur so auf den Burgfriedhof geströmt sein: Julius Axenfeld (1834-1896) galt es zu betrauern, den Pfarrer, der von 1870 bis 1895 die erste hiesige evangelische Gemeinde aufgebaut und nahezu ein Dutzend soziale und Bildungseinrichtungen initiiert hatte. Seine sterblichen Überreste waren im Juni 1896 zurückgekehrt. Axenfeld war im Alter von 62 Jahren in Marburg nach einer Magenkrebsoperation gestorben – ein bitteres Ende für einen rastlosen Kämpfer für die Benachteiligten der Gesellschaft und nicht zuletzt für seinen Glauben.

„Ein schönes Zeichen der Toleranz, dass sein Grab neben den Gräbern der katholischen Priester von St. Marien zu finden ist“, kommentiert Martin Ammermüller, ehemaliger Vorsitzender des Heimatvereins, bei den von ihm angebotenen Spaziergängen über den Burgfriedhof Axenfelds städtisches Ehrengrab. Nahe dem Haupteingang sind hier auch die Ehrengräber der ebenfalls mit Gründungen aktiven Zeitgenossen Axenfelds Pfarrer Theodor Minartz und Dechant Joseph Winter zu finden. Nicht weit davon: das monumentale Jugendstil-Grabdenkmal „Mutter Erde“. Dagegen mutet das Familiengrab der Axenfelds mit dem schwarzen Kreuz auf glänzendem Stein bescheiden an. „Jesus, meine Zuversicht“ wird darauf in Goldschrift ein Kirchenlied zitiert.

„An Julius Axenfeld sind sicherlich bis heute sein Weitblick, seine Unerschrockenheit und seine Tatkraft beeindruckend“, charakterisiert Stephan Bitter, ehemaliger Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel, auf GA-Frage den Tausendsassa.

Axenfeld war 1834 als Sohn eines jüdischen, zum Protestantismus konvertierten Arztes in der Ukraine geboren worden. Dann hatte es ihn über Ostpreußen, Düsseldorf und die Türkei 1870 nach Godesberg verschlagen – wo er in der evangelischen Diaspora einen atemberaubenden Gründergeist entfachte. Doch wer nicht gleich mitziehen wollte wie anfangs der Pädagoge Otto Kühne, dem pflegte er Druck zu machen: „Sehen Sie, das ist die Feigheit der deutschen Gelehrten; auf ihrer Stube sitzen sie und schreiben ihre Ideale in die Kladde… Aber für Ideale einzutreten, wagt niemand.“

Axenfeld selbst hatte den Mumm. Er lernte mit Johann Hinrich Wichern und Theodor Fliedner die damaligen Größen der Diakonie kennen. Und so setzte er in Godesberg mit der Gründung des Pädagogiums (Päda), der Otto-Kühne-Schule, an. Anfangs unterrichtete er die ersten vier Schüler im eigenen Haus, bis 1883 Kühne übernahm. Dann gründete Axenfeld unter anderem Erholungshäuser für Frauen, Männer und wandernde Handwerksburschen sowie eine Krankenpflege, den vor Ort ersten evangelischen Kindergarten und ein Lyzeum für Mädchen, aus dem sich später das Amos-Comenius-Gymnasium entwickelte. Letztlich gehe die gesamte Diakonie Godesbergs auf ihn zurück, sagt Bitter und verweist auch auf die Gründung des Waisenhauses Godesheim, auf dem heute die gleichnamige Evangelische Jugendhilfe basiert.

Pfarrer kauft auf der Godeshöhe ein riesiges Gelände

Mit Weitblick hatte Axenfeld dafür auf der Godeshöhe ein riesiges Gelände gekauft und somit den evangelischen Gemeinden die spätere Gründung des Waldkrankenhauses und des Kolfhaus-Seniorenheims ermöglicht. An der heutigen Rüngsdorfer Straße gelang ihm ab 1878, das erste große Gotteshaus der hiesigen Evangelen, die Erlöserkirche, hochzuziehen. „Axenfeld hat mit seinem Wirken wesentlich zur Entwicklung der ganzen Kommune beigetragen“, betont Bitter.

Er sagt das nicht ohne durchblicken zu lassen, dass den Pfarrer auch eine gewisse missionarische Unerbittlichkeit und mangelnde Rücksichtnahme auf die Familie prägten. „Er nutzte seine Zeit im Sinne eines „carpe diem“ und war dabei wohl auch von streitbarer Durchsetzungskraft“, formuliert es Bitter. Diese sei wohl im katholischen Rheinland seiner Zeit „angesichts eines aggressiven Ultramontanismus“, also einer streng päpstlichen Gesinnung der Katholiken, geboten gewesen. „Was man damals als deutsch und evangelisch verteidigte, würde man heute wohl europäisch und ökumenisch nennen“, meint Bitter.

Für Axenfeld sei ein „Dasein für andere“ à la Dietrich Bonhoeffer die Konsequenz seines Glaubens gewesen, sagt Klaus Graf, Geschäftsführer der Jugendhilfe Godesheim, auch für die heutige Axenfeld Stiftung und die Axenfeld Gesellschaft. „Sein unermüdlicher Antrieb, der Not hilfebedürftiger Menschen durch innovative Wege und Entwicklungen entgegenzuwirken, ist für unsere heutige Arbeit nach wie vor wegweisend.“

DIE SERIE – Geschichten am Grab

Zu Lebzeiten waren sie hochgeschätzt, ja verehrt, manche auch gefürchtet. Auf jeden Fall waren sie prominent. Sie lebten zuletzt in Bad Godesberg und wurden hier öffentlichkeitswirksam bestattet. Doch wer kennt diese Personen heute noch? Wer erinnert sich an ihr hiesiges Leben? Und vor allem: Wie wird ihr Wirken heute gesehen? Wir laden ein zum Spaziergang auf lokalen Friedhöfen. Und zu Gräbern einer Reihe von Godesberger Promis. Bislang besuchten wir die Gräber von Herbert Wehner, Ulrich de Maizière, Rainer Barzel und Erich Mende. ham

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