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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Wer lebte im Türmchen in der Kunigundenstraße?

Das Bauwerk gehörte einst zur Sommerresidenz einer Kölner Familie. Die Nachfahren der ehemaligen Besitzer wohnen im Ausland

(12. Dezember 2022, General-Anzeiger)

VON ALEXANDER BARTH

MEHLEM. | Der Name des Weges könnte auf das Mittelalter schließen lassen. Ein Burgherr ist an der Kunigundenstraße allerdings nicht bekannt, geschweige denn wohnhaft. Auch die berühmte Märchengestalt Rapunzel würde sich womöglich vom Anblick des Türmchens gefangen nehmen lassen. Gleich am Beginn des ruhigen Sträßchens steht ein Bauwerk, das so gar nicht in die Bebauung der Umgebung passen will.

Das Gebäude, ganz offensichtlich ein Überbleibsel längst vergangener Mehlemer Zeiten, gibt Rätsel auf. Stand es dort einst allein? Wer hat es erbaut? Hinweise vor Ort, etwa auf einer Informationstafel, fehlen. Anlass genug für eine GA-Recherche in Richtung Vergangenheit, begleitet von einem Nachbarn und Zeitzeugen. Ausgangspunkt ist aber die Gegenwart. Einigermaßen skurril wirkt die Tatsache, dass der Turm in ein modernes Wohngebäude integriert wurde.

Während Anfragen bei Nachbarn zunächst ergebnislos verlaufen, gibt die Vorsitzende des Bad Godesberger Heimat- und Geschichtsvereins einen wichtigen Hinweis: Der „richtige“ Nachbar weiß mehr. Gleich gegenüber blickt Peter Amendt tagtäglich auf den schlanken Turm, „schon mein ganzes Leben lang“.

Das dauert bereits stolze 88 Jahre, entsprechend weiß Amendt auch um die Geschichte des schlanken Bauwerks mit seinen groben Steinelementen. „Der Turm gehörte zur Sommerresidenz einer reichen Kölner Familie“, sagt der Mann, dessen Familie seit mehr als 100 Jahren in der Kunigundenstraße zunächst Kohlen verkaufte und heutzutage Heizöl vertreibt.

Die Familie Sohn habe die Villa Ende des 19. Jahrhunderts erbauen lassen, vorangetrieben vom damaligen Oberhaupt Ferdinand Sohn. Dieser sei Verleger gewesen, berichtet Amendt. Etliche wohlhabende Kölner habe es seinerzeit an die damals noch kaum bebauten Hänge im Bonner Süden gezogen, „der Blick auf Rhein und Siebengebirge hatte schon immer seinen Reiz“, vermutet der einstige Nachbar. „Damals wehte hier ja auch noch so was wie Landluft.“ Seine Vorfahren hatten vor dem Geschäft mit der Energie selbst Landwirtschaft betrieben. Von Mai bis Oktober sei die Familie Sohn regelmäßig in Mehlem gewesen, samt Kindern und Personal. „Man kannte sich und kam gut miteinander aus. Sie waren nicht etwa abgehobene Städter.“

Zum stattlichen Haus soll auch ein großer Garten gehört haben, dessen einstige Lage heute bebaut ist – ebenso wie die Fläche, wo einst die Villa stand und heute der schlichte Flachdach-Wohnbau steht, der quasi an das Türmchen angebaut wurde. „Im Inneren befindet sich ein Treppenhaus“, berichtet der 88-Jährige, der selbst immer wieder in der Villa gewesen ist. „Im oberen Bereich gab es einen Austritt auf einen kleinen Balkon, von dem man wunderbar über die Region blicken konnte.“

Wie das Leben aber manchmal spiele, sagt Amendt, hätten sich die Nachfahren von Ferdinand überworfen. Die Villa sei zusehends verfallen und in den 1950er Jahren schließlich abgerissen worden. Warum ausgerechnet das Treppenhaus-Türmchen stehen blieb, weiß auch der Langzeit-Nachbar nicht.

Teile der Familie Sohn wanderten nach Kanada aus. Zu Manfred Sohn, selbst Kind des Erbauers, hielt Amendt Kontakt. Auch zu dessen Tochter besteht noch eine Verbindung. „Ich verwalte ja gewissermaßen das unsichtbare Erbe vor Ort“, lacht Amendt. „Und womöglich schaut sie ja auch einmal wieder vorbei.“

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