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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Eine Chance fürs Aennchen

Godesberger fürchten Verfall des leerstehenden Traditionslokals. Jetzt gibt es eine Idee für die Rettung

(1./2. November 2011, General-Anzeiger Bonn)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | In den Fall der seit Jahren leerstehenden Godesberger Traditionsgaststätte Aennchen könnte Bewegung kommen. Wie berichtet, hatte sich der aktuelle Eigentümer Khaled Hamed 2017 um die Umbaugenehmigung für eine Neueröffnung mit italienisch-rheinisch-internationaler Küche bemüht. Am Gebäude am Aennchenplatz ist seitdem nichts Sichtbares passiert.

Anfang Oktober wurde das Thema bei den „Godesberger Gesprächen“ des Theaters Bonn und der Godesberger katholischen Gemeinde über „Heimat und Aufbruch“ heftig diskutiert. Teilnehmer beklagten bei der Veranstaltung im Schauspielhaus, dass das Aennchen, „die gute Stube Godesbergs“, verfalle und einfach ihrem Schicksal überlassen werde. Auf dem Podium beruhigte Bonns ehemaliger Stadtarchivar Norbert Schloßmacher das Publikum insofern, dass zumindest das Mobiliar des legendären Studentenlokals von der Stadt sichergestellt worden sei.

In den sozialen Netzwerken folgten weitere hitzige Diskussionen. Godesberger forderten, dass das Aennchen als eines ihrer Wahrzeichen unbedingt als Restaurant oder als Heimatmuseum erhalten und gepflegt werden müsse. Dann schaltete sich auch Martin Bredenbeck vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland ein und signalisierte: Das Aennchen inklusive Anbauten sei kein Baudenkmal. Er habe aber eigentlich das Gefühl, „dass wir das noch mal prüfen sollten“. Was, würde man Bredenbecks Gedanken weiterspinnen, die Karten für das einst durch die Studentenwirtin Aennchen Schumacher bekannt gewordene Haus neu mischen könnte. Denn nach dem Gesetz ist es unter anderem die Aufgabe des Denkmalschutzes, Denkmäler zu pflegen und „auf eine sinnvolle Nutzung hinzuwirken“.

Auf Nachfrage erläutert Bredenbeck, er schätze den heute bestehenden Gaststätten-Komplex Aennchen inklusive der nur historisch aussehenden Teile als kompletten Neubau der 1970er Jahre ein. Das alte Lokal war Ende 1970 für eine geplante Verbreiterung der Friesdorfer Straße abgerissen worden. Der Godesberger Fotograf Friedhelm Schulz hat es noch kurz vorher aufgenommen. 1974 wurde an leicht verschobener Stelle eine Reproduktion in einen Neubau einbezogen. „Es wäre auf jeden Fall lohnend zu prüfen, ob das neue Aennchen ein Denkmal sein könnte“, schlägt der LVR-Vertreter nun vor. Die Inventarisierung von Denkmälern befasse sich ja derzeit intensiv mit Bauten der 1970er bis 1990er Jahre.

Denkbar wäre also, dass das heutige Aennchen als „Denkmal für das Thema Stadtbildpflege, aber auch für die Trendwende einer breiten Öffentlichkeit in den 1970er Jahren hin zur Anerkennung der historischen Stadt“ gewürdigt werde, so Bredenbeck. Damals habe die Stadt mit dem Schwan’schen Haus auch noch eine andere Option im Umgang mit Altbauten gezeigt: Das Fachwerkhaus wurde vom Burgaufgang in die Elisabethstraße versetzt.

Falls der Aennchen-Nachbau zum Denkmal erklärt würde: Müsste die Stadt dann auf eine gesetzlich geforderte „sinnvolle Nutzung“ hinwirken? „Die Erhaltung klappt am besten, wenn sich alle Beteiligten einig sind“, antwortet Bredenbeck. „Eine besondere Rolle spielt dabei der Eigentümer. Die Stadt kann ihn unterstützen. Wie weit sie ihn zwingen kann, wäre zu klären.“

Eine Stellungnahme des Eigentümers war vom GA nicht zu erhalten. Die auf dem Briefkasten am Aennchenplatz 2 genannte Sanus Investment GmbH ist aufgelöst. Die zweite genannte Firma Cygnus GmbH ist nicht zu kontaktieren: Die Cygnus Beratungsgesellschaft, Hamburg, antwortet nicht. Für die Cygnus Networks GmbH in Bonn erklärt Torge Valerius: „Nein, damit habe ich nichts zu tun.“ Und für die Stadt sagt Isabel Klotz vom Presseamt: Das Bauordnungsamt habe zwar am 4. März 2021 die drei Jahre gültige Genehmigung für den gewünschten Gaststättenumbau erteilt. „Darüber hinaus gab es keine Kontakte mit den Bauherren.“

In Bad Godesberg stünden sicherlich außer ihm selbst noch andere ernsthafte Interessenten für eine Pacht oder einen Kauf des Aennchens bereit, sagt Benjamin Knüpling, Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Zwar sei zu befürchten, dass der Zustand des Objekts mittlerweile sehr schlecht sein dürfte. „Mein persönliches Interesse ist jedoch erst mit fortdauerndem Niedergang der Immobilie gewachsen“, sagt Knüpling. Das letzte Schreiben habe er im Frühjahr 2022 am Aennchenplatz eingeworfen. Er kenne zwar die aktuelle Aktenlage nicht, aber er habe im konkreten Fall diverse Ideen. „Die wahrscheinlich Realistischste dürfte gar nicht so weit von der bisherigen Nutzung entfernt sein“, so Knüpling.

Heimatverein: Endlich ergreift jemand die Initiative

Iris Henseler-Unger vom Godesberger Heimat- und Geschichtsverein erklärt auf Anfrage, der Verein begrüße natürlich sehr, dass endlich jemand die Initiative ergreife und sich um das Aennchen kümmere. „Die ehemalige Gaststätte ist Teil der Bad Godesberger Identität“, so Henseler-Unger. Heute sei sie aber in einem höchst bedauerlichen Zustand, der keineswegs ihre historische Bedeutung für Bad Godesberg, Bonn und später die Bonner Republik wiedergebe. Eine neue Bewertung der LVR-Denkmalpflege wäre auf jeden Fall eine Chance für das Aennchen, um es wieder instand zu setzen und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. „Damit wäre viel für Bad Godesberg gewonnen.“

ZUR GESCHICHTE

Aennchen Schumacher war Mutter der Studenten

Der letzte Pächter Holger Klagge hatte 2015 vergeblich versucht, einen Nachfolger für das Aennchen zu finden, ebenso die damalige Eigentümerfamilie. Das Restaurant „Zur Lindenwirtin“ wurde im August 2016 verkauft. Der Nachlass von Aennchen Schumacher (1860-1935) wanderte ins Bonner Stadtmuseum und ins Stadtarchiv. Es ist die Geschichte des ursprünglichen Studentenlokals in der Altstadt und seiner Wirtin, die das Aennchen zum Godesberger Wahrzeichen macht. Anna Schumacher musste nach dem Tod ihres Vaters bereits im Alter von 18 Jahren dessen „Gasthof zum Godesberg“ übernehmen. Er wurde zu einem der beliebtesten Studentenlokale im Rheinland. Zu ihrem 75. Geburtstag soll die Lindenwirtin 5000 Glückwunschkarten aus aller Welt bekommen haben. ham

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