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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Wohin führt der Abstieg am Dorfplatz?

In Plittersdorf steht ein unscheinbarer Betonklotz und gibt Rätsel auf. Von wem, wann und zu welchem Zweck er errichtet wurde

(1. Oktober 2022, General-Anzeiger Bonn)

VON ALEXANDER BARTH
PLITTERSDORF. | Am äußersten Rand des Dorfplatzes, in unmittelbarer Nähe zum Grundstück mit dem Schützenhaus im Rücken, steht ein unscheinbares Stück Zeitgeschichte. Der Betonklotz ist gut sichtbar, aber auch ebenso gut zu übersehen. Beim Blick von der Steinstraße wirkt er wie ein Würfel. Seitlich fällt das Gebilde Richtung Untergrund ab. Ein genauer Blick lässt den Schluss zu: Hier wurde ein Eingang zugemauert. Am Rand einer belebten Stätte, aber eben doch verborgen und mindestens halb vergessen, gibt der Klotz Rätsel auf. Wohin führt der Zugang? Wann wurde er errichtet, von wem und zu welchem Zweck? Zeitzeugen, Heimatforscher und die Stadt Bonn helfen bei der Klärung.

Den ersten Hinweis liefert die Verwaltung, sie nennt das architektonische Kind gleich beim Namen: „Laut Akten handelt es sich um einen Splittergraben oder auch Luftschutzunterstand, der 1944 im Auftrag der Stadt Bad Godesberg gebaut worden ist“, erklärt Markus Schmitz vom Presseamt auf GA-Anfrage. Für den Bau soll eine Kölner Firma verantwortlich gewesen sein, die heute nicht mehr existiert. „Auch an anderen Orten in Bad Godesberg hat die Firma solche Anlagen errichtet.“

Wer an Luftschutz denkt, hat schnell Bilder von Hochbunkern im Kopf, die während des vom nationalsozialistischen Regime in Deutschland entfesselten Zweiten Weltkriegs entstanden und auch auf Bonner Gebiet bis heute im guten Dutzend erhalten sind. In den Godesberger Ortsteilen wie etwa in Plittersdorf suchten die Menschen in der Regel in ausgebauten Kellern Schutz. Die sogenannten Splittergräben sollten – ganz dem Namen nach – Menschen im Fall eines Bombenangriffs vor umherfliegenden Trümmern und anderen gefährlichen Gegenständen schützen.

Die Zahl derer, die mit dem Anblick eines solchen Schutzbaus noch vertraut sind, ist überschaubar. Walter Düren ist einer von ihnen. Der heute 85-Jährige erinnert sich: Der betonierte Zugang führte über vielleicht zwei Meter in die Tiefe. Anders als der Name es vermuten lässt, war der Splitterschutzgraben allerdings überdacht. „Man gelangte in ein Gewölbe aus Backsteinen mit einer halbrunden Decke“, sagt Düren. Der Senior erinnert sich auch daran, dass das Bauwerk nie fertig wurde. „Das Gewölbe führte im Zick-Zack-Kurs in Richtung Plittersdorfer Straße. Dort befand sich auch ein zweiter Eingang. Allerdings war der Graben nur etwa zur Hälfte überdacht“.

Ob und wie viele Menschen dort Schutz suchten, ist nicht bekannt. Richard Grebert vom Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte bestätigt die Schilderung Dürens. Laut den Erinnerungen eines anderen älteren Plittersdorfers, Peter Pohl, sei das Gangsystem hoch genug gewesen, um als Erwachsener aufrecht darin stehen zu können. Der zweite Zugang soll sich neben einem Backstein-Wohnhaus befunden haben, das in den 1960er Jahren abgerissen wurde, vermutlich sei auch der Zugang abgetragen worden, sagt Grebert.

Nach dem Ende des Krieges und des NS-Regimes wurde die Anlage weitergenutzt – jedoch völlig anders: „Die Leute haben dort ihren Schutt und Müll entsorgt“, sagt Düren. Das Ende des ursprünglichen Zustands dürfte kurz darauf gekommen sein: „Im Jahr 1948 erfolgte seitens der Militärregierung die Anweisung, diesen und andere Splittergräben zu zerstören“, erklärt Schmitz vom städtischen Presseamt.

So erinnert heute allein der zugemauerte Abstieg nahe dem Schützenhaus an dieses Kuriosum der jüngeren Plittersdorfer Geschichte.

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