Wappen von Bad Godesberg
VHH
Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Tierwelten vor der Terrassentür

In einer Langzeitstudie stellt Professor Wolfgang Böhme die Flora und Fauna seines Friesdorfer Gartens vor

(29. September 2022, General-Anzeiger Bonn)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU
FRIESDORF. | Der Friesdorfer Feuersalamander mit der eindrücklichen Körperzeichnung hat es Professor Wolfgang Böhme in seiner jahrzehntelangen Studie „Artenvielfalt am Stadtrand“ besonders angetan. Konnte der renommierte Zoologe den flinken, kleinen Kerl doch innerhalb von neun Jahren gleich sechs Male in seinem Garten an der Annaberger Straße im Oberdorf fotografisch festhalten und im gerade beim Naturhistorischen Verein der Rheinlande und Westfalens, Bonn, erschienenen Beiheft verewigen.

Der Salamander habe Standorttreue bewiesen, urteilt der ehemalige stellvertretende Direktor des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig im GA-Gespräch. Und diese Treue zum rund tausend Quadratmeter umfassenden Gelände, in dem der Gievenings- und der Annaberger Bach ein Kerbtal in den Hang geschnitten haben, ist ihm auch selbst zu eigen.

1980 habe er das steile Gartengrundstück mit der Laube auf eine GA-Annonce hin erworben. So blickt Böhme, der noch heute als Vizepräsident der Alexander-Koe­nig-Gesellschaft tätig ist, zurück. „Ja, das war Liebe auf den ersten Blick“, gibt er zu. So naturnah sollte das ehemals für Weinbau genutzte terrassierte Gelände in seinem Besitz auch bleiben. „Ich wollte sofort wissen, was hier alles wächst und herumläuft“, fügt der leidenschaftliche Wissenschaftler hinzu.

Und siehe da: Das Friesdorfer Untersuchungsgebiet, auf dem, wie er später las, 1874 sogar die erste Reblaus in Deutschland gefunden worden war, entpuppte sich als erstaunlich artenreicher und damit besonders schützenswerter Lebensraum, der auch eine ganze Reihe gefährdeter Tierarten beherbergt.

Insgesamt erfasst die Studie beinahe 800 verschiedene Arten von Tieren, Pflanzen und Flechten, die mit detaillierten Beobachtungen zu ihrer Variabilität und Fortpflanzung vorgestellt werden und mit rund 130 Farbaufnahmen dokumentiert sind. Von Landschnecken über Spinnen, Tausendfüßer und die Vielzahl der Insektenordnungen bis hin zu allen Wirbeltiergruppen wurden von Böhme kleine bis klitzekleine Vertreter entdeckt.

Dafür habe er, wie er dem GA erzählt, nur allzu gerne von der Holzlaube aus an jedem Wochenende in die Gräser, Flechten und Bäume geblickt und die Tiere fotografisch festgehalten – oder, wenn es Insekten betraf, sie mit einem kleinen Netz eingefangen und unters Mikroskop gebracht.

Vorher habe er sie in Röhrchen bugsieren und mit Zyankalidämpfen einschläfern müssen, antwortet er auf Nachfrage. „Das hört sich brutal an, verläuft aber in Sekundenbruchteilen“, beruhigt Böhme. Bei der Kennung der Arten habe ihm das kollegiale Expertenteam des Forschungsmuseums geholfen. Damit die Funde auch nachprüfbar bleiben, sind sie derzeit in einem Spezialschrank mit vielen Schubladen gesichert. Böhme bewahrt seinen Schatz also noch, bevor er ihn dem Museum Koenig übergeben wird.

Für die botanische Suche habe er anfangs den inzwischen verstorbenen Kollegen Volker Voggenreiter von der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz eingebunden, erinnert sich der Zoologe. „Ich weiß noch, wie er auf dem Bauch durch meinen Garten gekrochen ist, damit ihm keine Pflanze entgeht.“

Seit 2018 setzen Professor Eberhard Fischer und Dorothee Killmann von der Universität Koblenz die Studien der Blütenpflanzen, Farne, Moose und Flechten im Friesdorfer Garten fort. Auch diese sind in Böhmes Schrift enthalten.

„Ich kenne keine Arbeit, die sich über einen so langen Zeitraum mit der beinahe vollständigen Biodiversität eines kleinen Areals wissenschaftlich fundiert und detailliert beschäftigt“, urteilt der bekannte Biodiversitätsforscher Professor Wilhelm Barthlott über Böhmes Arbeit. Sorgfältige Studien über einen langen Zeitraum zur Erfassung der Biodiversität seien ein seltener Glücksfall und von großer Aussagekraft. „Allein das Durchblättern und Betrachten der Farbaufnahmen wird viele faszinieren und mit Überraschung zum Nachdenken darüber bringen, welche Artenvielfalt am Rande einer Großstadt zu finden ist“, so Barthlott. Vielleicht rege es auch zum Nachdenken darüber an, was wir noch besitzen und erhalten könnten, wenn wir nur wollten.

Neben dem flinken Salamander haben es Böhme über die drei Jahrzehnte offensichtlich noch ein paar andere Friesdorfer Tiere besonders angetan. Da hatte er doch das seltene Glück, einen halbstündigen spannenden Revierkampf zweier Blindschleichenmännchen hautnah miterleben und fotografieren zu können: Was in der Fachwelt Aufsehen erregen dürfte. „Die beiden waren gleich stark und schmissen sich immer wieder gegenseitig auf den Rücken“, weiß Böhme noch. Und da gelang ihm der in seinem Fachbereich sensationelle Fund einer Goldwespe, die bislang noch nicht aus NRW bekannt war. Nun ja, er habe sie präparieren und aufspießen müssen, sagt Böhme. „Das Exemplar ist halt ein Erstnachweis.“

„Die vorgelegte Studie ist für jeden naturbegeisterten Godesberger eine wahre Fundgrube. Sie lädt zum Schmökern und Staunen ein – und vielleicht zum genaueren Hinschauen im eigenen Garten“, urteilt Iris Henseler-Unger, die Vorsitzende des Godesberger Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte. Die geborene Friesdorferin zeigt sich begeistert über die Arbeit. Sie habe auch ein gewisses „heiteres“ Potenzial, da Professor Böhme „auch Katzenfang und platt gefahrene Tiere vor seiner Haustür mitzählt: ganz wissenschaftlich!“

Menü