Kriegsgräberstätte braucht dringend Restaurierung
Auf dem Zentralfriedhof verwittern die Grabkreuze von Kriegsopfern. Die Stadt ist aber nur für die Umgebungspflege zuständig
(11. August 2022, General-Anzeiger Bonn)
VON ALEXANDER BARTH
BAD GODESBERG. | Das Grab des unbekannten Soldaten hat schon bessere Zeiten gesehen. Auch an anderen Kreuzen der Kriegsgräberstätte auf dem Bad Godesberger Zentralfriedhofs hat der Zahn der Zeit beträchtlich genagt. Namensinschriften sind zum Teil kaum noch lesbar, Flechten überwuchern die grauen Steine, unter denen Opfer des Zweiten Weltkriegs aus Bad Godesberg und anderswo begraben sind. Außerdem haben dort Menschen die letzte Ruhe gefunden, die an den Folgen von Verletzungen oder Krankheiten im Zusammenhang mit der von NS-Deutschland entfesselten Katastrophe der Jahre 1939 bis 1945 gestorben sind.
Einige werden offenbar von Angehörigen noch besucht, einzelne abgelegte Blumengebinde zeugen davon. Eine Restaurierung bietet sich ob des Zustands mehr als an – kurzfristig abzusehen ist diese nicht. An dieser Stelle lautet die Frage: Wer ist überhaupt zuständig, wer kümmert sich um diesen Erinnerungsort? „Nutzer der Grabstätte ist der Landesverband NRW des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) in Essen. Die laufende Unterhaltung liegt beim Amt für Umwelt und Stadtgrün, gegen pauschale Erstattung der Aufwendungen“, erklärt Markus Schmitz vom Presseamt der Stadt Bonn auf GA-Anfrage.
Sogenannte Sonderinstandsetzungen könne die Stadt auf Empfehlung des VDK bei der Bezirksregierung Köln beantragen. „Es finden in unregelmäßigen Abständen Begehungen des VDK unter Beteiligung der Bezirksregierung und der Stadt Bonn statt.“ Daraus hat sich offenbar aktuell kein Handlungsbedarf abgeleitet. Insgesamt kümmert sich der 1919 gegründete VDK laut einer Bilanz aus dem Jahr 2020 weltweit um 832 Kriegsgräberstätten „mit insgesamt 2,8 Millionen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ in 46 Ländern. Eine zeitig gestellte Anfrage zum Zustand und zur Pflege der Gräberstätte in Plittersdorf ließ der Volksbund unbeantwortet.
Neben dem Zentralfriedhof befinden sich in Bad Godesberg auch auf dem Burgfriedhof Kriegsgräber. Dort sind 72 Tote des Ersten Weltkriegs begraben, ebenso einige auf dem Friedhof in Friesdorf. In Mehlem erinnert ein kleines Gräberfeld an getötete Zwangsarbeiter, die während des Krieges vom nationalsozialistischen Regime nach Deutschland verschleppt worden waren. Hier gab es in der Vergangenheit auch gegenüber dem GA Beschwerden über den Zustand des Ortes.
Martin Ammermüller vom Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg kommt zu diesem Eindruck: „Die größeren Anlagen auf dem Zentralfriedhof für die Kriegstoten des Zweiten Weltkriegs, nach dem Gesetz auch die an den Kriegsfolgen Verstorbenen, und auf dem Burgfriedhof für die Verstorbenen des Ersten Weltkriegs sind meines Erachtens gepflegt, ebenso auch kleinere Anlagen auf den Friedhöfen der Ortsteile.“ Eine Verwitterung, so seine Überzeugung, von Inschriften sei unvermeidlich.
Ein anderer Aspekt in der Diskussion um Kriegsgräberstätten ist die Erinnerungskultur, in Bonn wie anderswo. Wie an vielen Stellen sind auch auf der Kriegsgräberstätte keine Informationen über Hintergründe und Umstände des Krieges und seiner Opfer hinterlegt. Eine vom Volksbund 2019 selbst in Auftrag gegebenen Untersuchung wies auf Mängel in der Gedenk- und Erinnerungskultur im Verein zu verschiedenen Zeiten hin.
Den Bedarf einer Einordnung sieht man auch bei der Stadt Bonn. „Im Sinne einer aktiven Erinnerungskultur wäre hier wie auch an anderen Stellen eine Erklärtafel oder ähnliches auch aus Sicht der Stadt wünschenswert. Dafür stehen jedoch leider derzeit keine Ressourcen zur Verfügung“. Auch Bernd Birkholz, Vize-Vorsitzender des Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte, schlägt in diese Kerbe, „Mehr Erinnerungskultur sei sicher wünschenswert, „die große Frage in Bonn ist ja immer: woher kommt das Geld dafür?“ Privates Engagement wäre wohl derzeit die einzige Option, doch auch das scheint nichts in Sicht.