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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Knochenarbeit statt Idylle

In der Neuauflage der Heimatblätter geht es auch um die lange Geschichte des Bad Godesberger Weinanbaus. Muffendorf war ein Zentrum der Winzer

( 11. Februar 2022, General-Anzeiger Bonn)

Von Ebba Hagenberg-Miliu

BAD GODESBERG. | Auf dem romantisch anmutenden Stich von 1825 ist im Schatten der Godesburg die Weinlese am Schweinheimer Hang im Gange. Eine Frau pflückt Trauben in Körbe, eine andere pausiert und beobachtet einen Wanderer. Am Horizont grüßt der Drachenfels herüber. Doch ganz so idyllisch dürfte sich die herbstliche Ernte der Reben oberhalb des Dorfes Godesberg wohl kaum abgespielt haben, wie es die promovierte Kunsthistorikerin Pia Heckes nun recherchiert hat.

Denn alle schweißtreibenden Tätigkeiten im Weinberg seien damals Handarbeit gewesen. Die Pfähle, die Reben, der Kompost, die Trauben: Alles musste auf dem Rücken getragen werden. Das habe am Tag sicher zehn Stunden Knochenarbeit bedeutet. Für den Blick ins Rheintal war sicher keine Zeit. Heckes, die den Bonnern aus ihrer Zeit als CDU-Stadtverordnete ab 1999 und Oberbürgermeisterkandidatin von 2004 bekannt sein dürfte, hat die spannende Geschichte des lokalen Weinbaus recherchiert.

„Kaum jemand ahnt heute doch noch, welche wichtige Rolle der Weinbau einmal in Godesberg gespielt hat“, sagt sie. Eigentlich hatte sie darüber einen Vortrag geplant. Doch dann kam die Pandemie, berichtet die 64-Jährige, die 2004 plötzlich ihre politische Karriere beendete und heute den Vorsitz der Peter-Schwingen-Gesellschaft für Kunst innehat. „Ich forsche seither. Das ist befriedigend und schön“, sagt Heckes. Über ihre Forschung veröffentlichen die kommenden „Heimatblätter“ des Godesberger Heimat- und Geschichtsvereins einen Beitrag.

Heckes schlägt einen großen Bogen von der Römerzeit, als rheinische Weinbauern Legionäre mit dem begehrten Trank versorgten, bis zu heutigen Hobbywinzern wie der Muffendorfer Familie Diederichs. Die empfindliche Kulturpflanze Wein, die wegen Hitze und Kälte, Regen und Trockenheit schwankende oder gar keine Erträge einbringt, sei am Rhein ab 400 nach Christus angebaut worden, berichtet die Autorin.

Spätestens fürs Jahr 800 sei nachzuweisen, dass die Winzerei auch an den damaligen Godesberger geistlichen Höfen wie dem Fronhof eine Rolle spielte. Für die Jahre nach 1381 etwa gebe ein Blick in die Kellnereiakten der Godesburg Auskunft darüber, dass Wein schon einmal für die Burgbesatzung in sehr großen Mengen benötigt wurde. Allein aus Mehlem, Lannesdorf und Muffendorf wurden 73 Fuder eingekauft. Das alte Hohlmaß Fuder betrug 960 Liter. Die Besatzer hatten offensichtlich mächtig Durst.

Im 15. und 16. Jahrhundert sei der Weinanbau in Godesberg der wichtigste Wirtschaftszweig geworden, führt Heckes aus. Zwölf Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche fielen auf ihn. Der Löwenanteil der köstlichen Tropfen hatte dabei an die geistlichen und adeligen Institutionen zu gehen. Die Bauern selbst hätten sich wohl nur den billigen Viez leisten können – den Apfelwein, erläutert die Autorin. Aber immerhin, in hygienischer Hinsicht sei es damals besser gewesen, Wein als Wasser zu trinken, so Heckes. Die größten Godesberger Weinbauflächen hätten sich von der Wacholderhöhe, auf der heute das Aloisiuskolleg steht, bis hinunter zur späteren Redoute erstreckt, und dann weiter auf dem Terrain westlich der heutigen Deutschherrenstraße, sagt die Kunsthistorikerin. Weitere Weinbau-Flächen habe es am nordwestlichen Burgberg in Richtung Friesdorf gegeben, an der westlichen Seite des Burghangs, da wo heute der Burgfriedhof liegt, an der Straße nach Bonn und in Richtung der heutigen Plittersdorfer Straße. Heckes schildert die Entwicklung der Winzerei auch in Friesdorf, Plittersdorf, Mehlem und nicht zuletzt im Ortsteil, in dem sie selbst lebt: in Muffendorf.

Hier, in geschützter Hanglage, habe bereits im 11. Jahrhundert der Weinbau floriert, wie es eine kaiserliche Urkunde aus dem Jahr 1020 beweist. Ab Ende des 13. Jahrhunderts habe sich der Deutschherrenorden von der Kommende aus als Weinproduzent und -händler profiliert. Dabei setzte man hauptsächlich auf rote Reben. „Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war der Weinanbau der bedeutendste Wirtschaftszweig in Muffendorf“, erinnert Pia Heckes. Aber dann hätten plötzliche Frosteinbrüche den Winzern die Geschäfte buchstäblich verhagelt. Die Folge: Man setzte auf Pfirsiche. Und schließlich brachte ab 1890 auch noch vom Friesdorfer Annaberg aus die verheerende Reblausplage den gesamten Weinanbau Godesbergs zum Erliegen, so Heckes. 1920 war Schluss damit.

Womit aber in ihrer Historie des Godesberger Weins noch nicht das letzte Kapitel geschrieben ist. Heute gibt es Hobbywinzer. 1975 legte die Muffendorfer Familie Diederichs unterhalb von Alt-St. Martin aus einem alten Elblingweinstock den ersten neuen, offiziell eingetragenen Weinberg Muffendorfs an. In der Gringsstraße wurde das alte Kelterhaus mit neuer Technik ausgestattet. „In guten Jahren erzielen die Hobbywinzer einen Ertrag von je 1000 bis zu 2000 Flaschen“, so Heckes. Und das nachweislich 1000 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung.

Über Rebgärten
„Heimatblätter“ erscheinen im März

Iris Henseler-Unger, Vorsitzende des Heimatvereins, lobt den Beitrag von Pia Heckes. „Sie beleuchtet ausführlich und faktenreich die Geschichte des Weins hier vor Ort.“ Der Weinbau habe Godesberg und die umliegenden Dörfer lange geprägt. Durch private Rebgärten in Muffendorf werde an diese Weinbautradition erinnert. Die diesjährigen „Heimatblätter“ erscheinen am 1. März. Sie werden in der Geschäftsstelle des Vereins, Augustastraße 82, in der SWB-Servicestelle, Alte Bahnhofstrasse 22a, und beim Stadtmarketing, Ria-Maternus-Platz 1, für zehn Euro zu kaufen sein.

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