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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Der Eintritt wurde in Briketts bezahlt

In der Tonhalle fanden nach Ende des Krieges die ersten Konzerte statt.
Sopranistin erinnert sich an Auftritte bei eisiger Kälte

(19. Januar 2022, General-Anzeiger Bonn)

Von Ebba Hagenberg-Miliu

BAD GODESBERG. Bibbernd stand die Sopranistin in den eiskalten Wintern nach 1945 mit ihrem Mann, dem Pianisten, im Saal der späteren „Burglichtspiele“. Im „Abendkleid mit offenem Dekolleté“ wollte sie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Konzerte geben. Und dieser vormals als Tanzsaal „Tonhalle“ genutzte Raum in der Burgstraße sei anfangs weit und breit die einzige Bühne gewesen, die nicht im Zweiten Weltkrieg zerstört war, erinnerte sich die Künstlerin später. „Ich war blau vor Kälte, und mein Mann spielte mit Handschuhen Klavier,“ schilderte die Sopranistin die Situation.

Eigentlich hätte im Burgstraßen-Haus Nummer 19 der Ofen wohlige Wärme verbreiten müssen, denn die Zuschauer hatten den Eintritt mit Brikettspenden gezahlt. Aber als vor dem Auftritt das Licht ausging, „war in Sekunden der Brikettberg verschwunden“, so die Künstlerin im Rückblick. Die Spender hatten sich ihre wertvolle Ware wohl wiedergeholt.

Alliierte forderten kulturelle Veranstaltungen

Der GA-Artikel über die goldenen Jahre in Bad Godesbergs legendärer früherer Burgstraße hat großes Leserecho gefunden. Es meldete sich auch Klaus Simon, ein 1949 nicht weit von der Burgstraße im Bendel geborener Bildhauer. Simon war 1989 bei einer Zugfahrt zufällig mit der oben zitierten Sopranistin ins Gespräch über Bad Godesberg gekommen und hatte es später aufgeschrieben. Die alte Dame habe ihm lebhaft die Erinnerungen an ihre viel beklatschten Auftritte in den späteren „Burglichtspielen“ geschildert. Die Alliierten hätten nach Kriegsende kulturelle Veranstaltungen regelrecht gefordert, „weil die Menschen lebensmüde waren“, habe die Dame erläutert.

Deswegen sei sie bis 1948 mit dem Zug nach Godesberg gereist und habe mit Inbrunst in der „Tonhalle“ Opern- und Operettenarien gesungen. Auch wenn der Austragungsort im Winter eher einer Eishalle glich. In den Konzertpausen habe ihr Mann, der Pianist, ihr immer schnell eine Decke über Schultern und Dekolleté gelegt. „Beim Singen hauchte ich Eisblumen, und die großen Augen in den ausgezehrten Gesichtern der Zuschauer tränten in Kälte und Rührung. Das vergisst man nicht“, habe die Sopranistin ihm 1989 erzählt, sagt Klaus Simon. Auch ihn als Nachgeborenen habe das bewegt.

Ein anderer Godesberger Künstler, nämlich Walter Ullrich, der Gründer und langjährige Chef des „Kleinen Theaters“, stand 1946 in der „Tonhalle“ sogar selbst auf der Bühne. In seiner 2021 erschienenen Autobiographie „Das war‘s“ erzählt der heute 90-jährige Theaterprinzipal, dass er als damals 15-Jähriger mit seinem Vater eigentlich nur auf Godesberg-Besuch bei der Tante in der Sedanstraße war.

Doch Kurt Ullrich war als Schauspieler direkt nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitslos. Und Sohnemann Walter suchte nach ersten eigenen Bühnenerfahrungen ebenfalls ein Engagement. So stellten sich die beiden einfach mal bei Theatermacher Max Wendeler vor. Der vor dem Krieg erfolgreiche Conférencier hatte an der Burgstraße gerade eine erste Godesberger „Komödie“ eingerichtet. „Es gab neben den Solisten einen Chor, ein Orchester, eine kleine Ballettgruppe und die notwendige technische Besetzung“, erinnert sich Ullrich.

Wendeler stellte Vater und Sohn kurzerhand ein. Für ihn habe es unterhalb der Godesburg ab sofort sehr viel zu spielen gegeben, weiß Ullrich noch: einen Sklaven in Franz Grillparzers „Medea“ zum Beispiel, einen Kellner in Ralph Benatzkys Operette „Bezauberndes Fräulein“ oder Diener sowohl in Franz Lehárs „Land des Lächelns“ als auch in Heinrich Kleists „Zerbrochenem Krug“.

Das Publikum war ausgehungert

Godesbergs Nachkriegsbühne brachte also kurz nach Kriegsende für ein in jeglicher Hinsicht ausgehungertes Publikum durchaus anspruchsvolle Werke in den Saal. Für Ullrich-Junior, der nach diesen Nebenrollen-Auftritten sofort wieder hinter der Bühne als Inspizient eingesetzt war, sprangen in der Saison auch noch große Rollen heraus: Im Märchen „Gestiefelter Kater“ gab er einen der drei Brüder. Und als Kurt Hoffmann, der Vater der nachmaligen Contra-Kreis-Chefin Katinka Hoffmann, Lope de Vegas Komödie „Die bestrafte Spröde“ an der Burgstraße inszenierte, fiel für den gerade einmal 16-jährigen Ullrich „eine sehr schöne Dienerrolle“ ab.

Ullrich ist in seiner Autobiographie aber auch immer für eine hübsche Anekdote gut: In der Lehár-Operette hatte das ehrgeizige Team an der Burgstraße einen möglichst nicht endenden Hochzeitszug darzustellen, erinnert sich der 90-Jährige im Buch.

1948 gingen in der Tonhalle die Lichter aus

Da musste improvisiert werden. Durch eine Tür in der Bühnenmitte konnte das Publikum also die wundersame Vermehrung der kleinen Theater-Mannschaft beobachten: wie dieselben, gerade nicht beschäftigten Schauspieler feierlich vorbeizogen, um sich dann, über mehrere Treppen eilend und im Nu mit neuen Mänteln und Hüten versehen, erneut auf den Weg zu machen. „Das Publikum wird sich gewundert haben, über wie viele Darsteller wir verfügten“, notiert Ullrich verschmitzt. Er selbst konnte sich dann 1947 mit seinem Vater Engagements am Theater Lüdenscheid sichern: der Vater sogar als Leiter.

Der Godesberger „Komödie“ war jedoch weniger Glück beschieden: 1948 gingen für Wendelers Team in der „Tonhalle“ die Lichter aus: wegen „der Währungsreform und dem Widerwillen der damaligen Stadtoberen“, verzeichnen die Heimatblätter des Heimat- und Geschichtsvereins. Ein Jahr später sollte Ullrich nach Godesberg zurückkehren: anfangs im Plittersdorfer „Zimmertheater“ eines Schauspielkollektivs und ab 1958 dann fest am ersten Standort seines Kleinen Theaters an der Ubierstraße.

Derweil war das Haus Nummer 19 an der Burgstraße längst zu den „Burglichtspielen“ geworden. Die Godesberger Jugend nannte das Kino kurz „Burgli“. „Es war ein Traum, wenn ich genug Taschengeld zusammenhatte, um dort sonntags direkt nach der Messe in St. Marien in einen Westernfilm zu gehen“, berichtet der heute 72-jährige Bildhauer Klaus Simon aus seiner Kindheit. Auch wenn für den Jungen aus dem Bendel im Inneren der „Burglichtspiele“ das Geld nicht für die rot gepolsterten plüschigen Logenplätze, sondern nur für das steil abfallende Parkett reichte: Er war an einem Sehnsuchtsort.

Die Tonhalle
Burglichtspiele gingen aus Theater hervor

1946 baute der Theaterintendant Max Wendeler den ziemlich heruntergekommenen Tanzsaal der vormaligen Gaststätte „Zur Tonhalle“ zu einem Theater um, in dem in den folgenden Jahren insbesondere Komödien und Operetten zur Aufführung kamen, so Stadtarchivar Norbert Schloßmacher. Im Zusammenhang mit der Währungsreform 1948 ging dieses Unternehmen zugrunde. 400 Sitzplätze soll dieses Theater besessen haben. Nach einem erneuten Umbau wurden 1949 an gleicher Stelle die „Burglichtspiele“ eröffnet. Das als sehr gemütlich bezeichnete Kino stellte 1971 seinen Betrieb ein. 1974 wurde der Bau ein Opfer der Altstadtsanierung. ham

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