Wappen von Bad Godesberg
VHH
Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Ein Mann für die kleinen Leute

Der Sozialdemokrat Horst Naaß kennt Bad Godesberg wie seine Westentasche. Seine Vorliebe für Politik begleitet ihn bis heute

Von Sylvia Binner

BAD GODESBERG. | In der Wolle gefärbter Sozialdemokrat, Bonner Ex-Bürgermeister, Bad Godesberger Urgestein, das tief im Hang zur Godesburg verwurzelt ist und bleibt: Horst Naaß hat viele Facetten und tritt auch im Alter von 81 Jahren als Moderator des „Klaafs“, den der Bad Godesberger Heimatverein veranstaltet, öffentlich in Erscheinung.

Schnibbelbohnen und andere Hausmannskost

Wer bei Horst Naaß anruft, landet schon mal unversehens nahe am Herd in der Küche seines Schweinheimer Einfamilienhauses. „Ich mache gerade Schnibbelbohnen“, lässt er dann ungefragt wissen. Natürlich mit „gutem Speck“, wie er versichert. Eine Ausnahme, denn „sonst haben wir uns ernährungsmäßig umgestellt“. Fleisch gibt es nur noch selten, Schwein schon gar nicht. Aber „es schmeckt“, freut er sich mit Blick auf den Eintopf mit Zwiebeln, Bohnen und Kartoffeln. Hausmannskost – und die passt einfach wie die Faust aufs Auge zu Naaß, der sich zeit seines Lebens auf der Seite der kleinen Leute sah.

Ein Leben, das sich mit seinen wichtigsten Stationen im Schatten der Godesburg abspielte. Am 26. Februar 1940 erblickte Naaß im Markusstift das Licht der Welt und wurde daneben in Sankt Marien getauft. „Die paar Godesberger, die das noch von sich sagen können, zählen quasi zum Godesberger Uradel“, kokettiert SPD-Mann Naaß mit seinen Wurzeln. Dabei hat dem Schweinheimer Jung’ seine familiäre Herkunft meist eher Hindernisse in den Weg gelegt. Zum Beispiel dann, wenn Dechant Heimbach ihm die Mitgliedschaft bei den Sankt-Georgs-Pfadfindern verwehrt habe, weil sein Vater einer der stadtbekannten „drei roten Brüder Naaß“ war. Nur in der Pfarrjugend durfte der kleine Horst dabei sein. „Da durfte jeder mitmachen.“

An der Spitze des Junggesellenvereins

Bei den Schweinheimer Junggesellen hat er den Vorsitz übernommen und nun musste der Dechant bei ihm anklopfen, um zum Stiftungsfest des Vereins geladen zu werden, der die Pestkapelle im Wappen führte. „Unseren Schweinheimer Dom“, wie Naaß laut lachend erzählt.

Umso mehr bedauert der Vater dreier Töchter rückblickend, dass er bis in seine späten 20er gebraucht habe, um sich von der katholischen Kirche zu distanzieren. Einer der wenigen Brüche in einem Leben, das eher von Zugehörigkeit und Konstanz erzählt: 66 Jahre Sozialdemokratie inklusive zweitem Bildungsweg mit DGB-Stipendium an der Sozialakademie, 35 Jahre in der Kommunalpolitik, unter anderem als Vorsitzender des Stadtwerkeausschusses und zehn Jahre als Bonner Bürgermeister, bevor er 2014 ausschied. Seine gesamte berufliche Laufbahn durchlief der gelernte Diplom-Verwaltungswirt bei der Deutschen Bundespost: von der Lehre beim Postamt Bad Godesberg 1954 – damals trat er auch in die Postgewerkschaft ein – bis zum Ruhestand.

Engagiert bei der Arbeitsgemeinschaft für Bildung und Kultur (ABK), im Freundeskreis der Städtepartnerschaft mit dem türkischen Yalova. Nach dem Tod seiner ersten Frau Helga ging er mit seiner heutigen Frau Christina eine zweite Ehe ein. Nach dem Ausscheiden aus der Kommunalpolitik war er mit rotem Schal und seiner Rauhaardackel-Hündin Jeanie ein oft gesehener und gegrüßter Spaziergänger im Kottenforst und in der Godesberger Innenstadt.

„Sie ist leider nur 13 Jahre alt geworden“, trauert er der Dackeldame noch heute nach, die nicht nur in seinem Herzen, sondern auch an der Esszimmerwand einen Platz einnimmt. Ein Foto zeigt, wie wohl sich Jeanie in den Dünen fühlte. „Wir konnten uns noch nicht mit einem neuen Hund anfreunden“, sagt Naaß. Aber wer weiß. Schließlich gehe es ihm bis auf einen Stent in der Halsschlagader gut, sagt Naaß, der beim Erzählen immer noch so ausladend gestikuliert wie zu seiner aktiven Politikerzeit. Seinen jüngst verstorbenen Hausarzt habe er jedenfalls überlebt, dabei sei der längst eine Art Freund geworden.

Nach wie vor stürzt sich Naaß auf politische und historische Sachbücher, kann aus dem Stehgreif über regionale Geschichte oder die historische Bedeutung der Sozialdemokratie dozieren. Aber auch beim Blick auf die Vergangenheit geht es Naaß immer um die kleinen Leute oder die aufgeklärteren Monarchen. Wie den letzten Kurfürsten Max Franz, Sohn der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, der auf Empfehlung seines Leibarztes das Godesberger Quellwasser schätzen lernte und als Musikfreund die Bekanntschaft zwischen Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven vermittelte. Also ein Mann nach Naaß‘ Geschmack, dieser Max Franz, mit seinem aufklärerischen Gedankengut und seinem bescheidenen Auftreten, der sich außerdem noch Godesberg zugeneigt zeigte.

Die Geschichte und die Sieger

Kein Wunder also, dass Naaß in seiner Zeit als Bürgermeister gerne mit seinen Geschichten Besuchergruppen unterhielt. „Die Nummer hat die interessiert“, ist er sich bis heute sicher. Und hat dabei ganz sicher auch damals nicht an einigen seiner Grundgewissheiten gespart. Zum Beispiel: „Geschichte wird von den Siegern geschrieben.“ Aber wenn man ehrlich ist, schreibt auch Horst Naaß bis heute ein kleines bisschen an Geschichte mit. Oder zumindest daran, wie seine Zuhörer sie sehen, wenn er heute den Klaaf des Bad Godesberger Heimat- und Geschichtsvereins moderiert.

Dabei stimmt er nicht in das Untergangsszenarium ein, das manche von Bad Godesberg zeichnen, auch wenn er mit Einzelkritik manchmal nicht spart. Eher war ihm da schon mal um seine Partei angst und bange, die nach Ansicht des Genossen, der nicht nur auf Reisen nach Kuba und Russland schon mal mit dem Sozialismus liebäugelte, zu sehr den Versuchungen des Neoliberalismus’ erlegen ist. Überzeugt ist er nach wie vor vom System der Sozialen Marktwirtschaft, aber die Lücke, die zunehmend zwischen Arm und Reich klafft, die wird Naaß zu groß. Hoffnung, daran etwas zu verändern, setzt er auf den neuen SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz: „Das ist einer, der versucht, das Beste auch für die kleinen Leute rauszuholen.“ Und die spielten und spielen im Leben von Horst Naaß eben immer eine Hauptrolle.

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