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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Die Kuh des kleinen Mannes

Friesdorfs heutige Ziegen grasen im Leyenhof. Früher waren sie die Garantie, auch in harten Zeiten keinen Hunger zu leiden!

(24. Februar 2021 General-Anzeiger Bonn)

EBBA HAGENBERG-MILIU

FRIESDORF. Auf dem Friesdorfer Leyenhof genießen in einem Gatter drei Ziegen die erste Frühlingssonne. „In der Kälte hatten sie sich in ihren Stall verzogen“, berichtet HofchefinVicky Jacobs. Friedlich grasen die weißen Tiere mit den braunen Köpfen und den Hörnern nun beieinander. Mancher Besucher habe sie schon mit den Schafen von nebenan verwechselt, erzählt Jacobs lachend. Und zitiert die Leyenhof-Faustregel: „Keine Hörner, keine Ziegen.“ Die drei „echten Ziegen“ sind achtjährige Elterntiere und ihr sechsjähriger Nachwuchs. Jacobs erzählt, dass eine Verwandte sie hobbymäßig hält. „Der Ziegenkäse und die Milch, die wir in unserem Hofladen verkaufen, stammen also        von Biohöfen in der Umgebung.“ Der Leyenhof produziert seit 1988 Salate, Kräuter, Gemüse und Blumen. Verkauft werden aber auch würzige Ziegenmilchprodukte, die im vergangenen Jahrzehnt sehr beliebt geworden seien, sagt Jacobs.

Dass das Ziegenhalten gerade in Friesdorf eine lange Tradition besitzt, hat der kürzlich verstorbene Heimatforscher Ewald May noch für die diesjährigen Godesberger Heimatblätter  recherchiert. Sicher, jeder kennt das Ziegendenkmal, das der Bildhauer Peter Rübsam 2013 auf eine Initiative des Dorfexperten Karl-Josef Schwalb hin auf den Klufterplatz setzte. Aber wo wurden die kleinen Wiederkäuer eigentlich in den Jahrzehnten gehalten, als sich die oft bitterarmen Dorfbewohner mit Nutztieren über Wasser hielten? Wer am Haus eine kleine Extrafläche besaß, hatte hier neben ein paar Hühnern und Kaninchen „die Kuh des kleinen Mannes“, eben die Ziege, angeseilt, berichtet May. Um 1900 habe es sogar mehr Ziegen als Kinder in Friesdorf gegeben.

Lebenswichtige Milch

Denn im Gegensatz zum Schwein, das manch einer in einem winzigen Stall am Haus hielt, gaben die weiblichen Paarhufer jeden Tag lebenswichtige Milch. Eine Rekordziege wie die prächtige „Rosa“ von Anton Bayer brachte es 1950 sogar auf 6,5 Liter pro Tag. „Aufgewachsen sind wir mit Ziegenmilch und Ziegenbutter“, bekennt May, der Jahrgang 1941 ist, in seinem Beitrag. Deshalb habe auch die ärmste Familie keinen Hunger gelitten, wenn sie sich die Arbeit mit den Tieren, aber auch mit dem Ziehen von Obst und Gemüse in den kleinen Gärten der Umgebung machte. Gerade die frische warme Ziegenmilch und die Butter seien ein Genuss gewesen, so May. Doch der Ziegenkäse, oder wie der Friesdorfer sagte, der „Klatschkiis“ und die Milchsuppe hätten Kindern nicht geschmeckt. „War die Suppe aber mit Trockenpflaumen oder Zimtzucker verfeinert, fanden wir sie essbar.“ Der Enge wegen lebten die Friesdorfer “Jeeße“, also Geißen, überwiegend in Stallhaltung. Die Kinder sammelten dafür Gras, Rübenblätter und Kartoffelschalen. Nur bei einigen Besitzern wie bei den Kleins Am Bommerich hätten die Tiere im Sommer manchmal auf die kleine Wiese am Haus gedurft, schreibt May. Da an den Zäunen aber Beerensträucher wuchsen, seien die Tiere sehr kurz angeleint gewesen. Die glücklichsten Ziegen dürften in Ewald Mays Kindheit wohl das halbe Dutzend Tiere der Familie Hamacher in der heutigen Josef-Roth-Straße gewesen sein: Da gab es nämlich hinter dem Haus eine große Wiese abzugrasen. Doch sogar dort habe im Sommer mit Heu und Rüben zugefüttert werden müssen, um die Wiederkäuer satt zu bekommen. Auch die fleißige „Rosa“ hatte es vergleichsweise gut: Wurde sie doch in trockenen Sommern an den Friesdorfer Bahndamm gebracht, damit sie Leckerbissen wie harte Gräser und Kräuter abweiden konnte

Ziegenkot als Gartendünger

Neben der Milch war der Ziegenkot beliebt – als Gartendünger. May hat als Kind genau aufgepasst. Im Stall wurden die großen schwarzen kaffeebohnenähnlichen Köttel mit der Streu zu einem dicken Belag verdichtetet. Und der wurde von Zeit zu Zeit in Knochenarbeit aus dem Stall herausgerissen und in den Gärten untergegraben. Weniger sollte der Nachwuchs jedoch über die Aktivitäten des Friesdorfer Ziegenzuchtvereins kapieren, in dem damals jeder für eine Mark pro Monat Mitglied war. „Denn man war ja auf die Dienste des bei einem Kleinbauern untergebrachten vereinseigenen Ziegenbocks angewiesen“, so May.

Gut, „Herdbuchziegen“ wie besagte „Rosa“ oder eine legendäre „Helga“ von Mathias Bayer wurden jährlich prämiert. Das verstanden die Kinder noch. Wie dieser besondere Bock aber tätig wurde, darüber machte man im Dorf ein großes Geheimnis. Über das Ergebnis freuten sich dann jedenfalls im Frühjahr alle, wenn die „Limmche“, also Lämmer, im Hof herumsprangen. „Es waren unsere liebsten Spielgefährten“, so May. Nur dass dann irgendwann die „Limmche“ knusprig braun gebraten auf dem Tisch landeten, passte ihm nicht, Die anderen ließen sich um Braten große Mengen Salzkartoffeln oder Nudeln mit schmackhafter Sauce und „Kompe“, also Schüsseln voll Salat schmecken. Doch für Ewald May und seinen Bruder war das „ein schlimmer Trauertag. “

Da haben es die drei heutigen Ziegen vom Leyenhof besser. Sie haben – schon so manches Friesdorfer Frühjahr unbeschadet überlebt.

Quelle Erscheinen wird der Beitrag von Ewald May demnächst in den Heimatblättern des Godesberger Heimat- und Geschichtsvereins, Band 58, 10 Euro. Sie sind erhältlich in der Vereinsgeschäftsstelle, Augustastr.83, dienstags von l5 bis 18 Uhr, bei Stadtmarketing, Ria-Maternus-Platz 1, oder im SWB KundenCenter, Alte Bahnhofstr. 22 a.

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