Die versteckte Quelle
Von der Redoute bis ins Marienforster Tal führt einer der schönsten Spaziergänge, die Bad Godesberg zu bieten hat. Ein Höhepunkt ist der Draitschbrunnen, der die Geschichte des Kurorts maßgeblich geprägt hat
(21. Juli 2020 General-Anzeiger Bonn)
VON AYLA JACOB
Wer den Ort erkunden möchte, der die Geschichte Bad Godesbergs maßgeblich geprägt hat, muss ein wenig suchen. Denn nicht an der Godesburg, nicht im Stadtkern, nicht mitten im Kurpark befindet sich das historische Kleinod. Sondern stadtauswärts. An der Brunnenallee. Dort ragt ein kleines Stahlrohr aus dem Betonboden – die Draitschquelle.
Kurfürst Max Franz ließ sie im 18. Jahrhundert fassen und erhob Godesberg zum Kurort. Das Wasser galt (und gilt) als gesundheitsfördernd; es wurde weltweit verkauft und auf Weltausstellungen prämiert. Zeitweise wechselten jährlich bis zu 20 Millionen Flaschen den Besitzer, in den 1980er Jahren allerdings flachte das Interesse ab, die Produktionsanlagen wurden endgültig dichtgemacht. Das heißt aber nicht, dass es das Wasser der Draitschquelle nicht mehr gibt. Im Gegenteil.
Helmut Fiehl sorgt dafür, dass das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes weiter sprudelt. Rund um die Uhr. „Die Quelle muss im Fluss bleiben, sonst könnte das Heilwasser verkeimen“, sagt der Brunnenmeister, der so etwas wie der moderne Vater der Draitschquelle ist. 1956 startete der heute 81-Jährige seine Berufslaufbahn beim Bad Godesberger Mineralbrunnen – dort brachte er es bis zum Betriebsleiter. 1973 übernahm er gemeinsam mit seiner Ehefrau Evi den städtischen Trinkpavillon, seit 1978 nun hält das Ehepaar die heilwässerlichen Zügel Bad Godesbergs selbstständig in der Hand: 1978 ließen sie den jetzigen Pavillon errichten. `
Auch wenn die alten Glanzzeiten bei weitem nicht mehr erreicht werden: Der Brunnen, eine staatlich anerkannte Heilquelle, ist nach wie vor das Ziel zahlreicher Wasserkenner. Je nach Wetterlage verkauft er pro Tag zwischen 150 und 400 Liter, schätzt Fiehl. Und das nicht nur an die Bad Godesberger. „Teilweise kommen die Kunden aus 60 Kilometer Entfernung“, so der 81-Jährige.
Doch warum soll – oder besser muss – man das Wasser trinken? Die Antwort liegt für Fiehl auf der Hand. Weil es viel Natrium, Magnesium, Eisen und Kalzium enthält, ist es gut gegen Übersäuerung, für Zähne und Knochen. Und bei Schwangeren sehr beliebt. „Es ist gesund und tut gut, es gibt kaum ein Wasser in Deutschland, das diese Qualität hat“, ist der Brunnenmeıster sicher. Über dessen Geschmack gehen die Meinungen übrigens weit auseınander. Während die einen beim ersten Schluck – gelinde gesagt skeptisch – das Gesicht verziehen, schwören die anderen darauf.
Als „ein flüssiges Rennie“, eine Magnesiumtablette gegen Sodbrennen, bezeichnet Martin Ammermüller das Wasser. „Biomedizinisch kann der Körper es sofort aufnehmen“ erklärt der Vorsitzende des Bad Godesberger Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte (VHH). Der ist Quelle und Pavillon übrigens schon lange verbunden. Sein Vorgänger, der Verschönerungs-Verein-Godesberg (VVG) kümmerte sich anfangs um Versorgung und Pflege des Kleinods, berichtet Ammermüller. Wohl auch deshalb setzte sich das Team (ehrenamtlich) dafür ein, dass das Gelände rund um den Pavillon vor fünf Jahren restauriert wurde. 120 000 Euro fielen dafür an, finanziert vom Verein und aus Spenden. Vor allem die aus rotem und schwarzem Lavagestein bestehenden Mosaikbilder von 1873 waren in die Jahre gekommen, ebenso wie die Mauer, in der sie sich befinden. Davor ist eine Wiese entstanden – Bänke inklusive.
Außerdem ist es dem ‚Verein zu verdanken, dass die – ebenfalls sehenswerte – Wettersäule an ihren ursprünglichen Ort zurückgekehrt ist. Seit einem Jahr steht der 2,85 Meter hohe Obelisk, der in der Vergangenheit mehrfach seinen Platz wechselte, nicht mehr an der Stadthalle, sondern wieder an der Brunnenallee. 1876 auf Betreiben des VVG installiert, kann er als die älteste noch funktionierende Wettersäule Deutschlands gelten, zusammen mit der im selben Jahr aufgestellten in Saarbrücken. Warum ein Blick auf die Stele lohnt, weiß Ammermüller. „Sie umfasst drei Messinstrumente: Barometer, Thermometer und Hygrometer.“ Wie sie früher ausgestattet gewesen sei, wisse man nicht. Abzulesen sind also Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Früher eine unerlässliche Informationsquelle für die Bad Godesberger, habe die Wettersäule in Zeiten des Internets zwar nicht mehr die Bedeutung wie früher, sagt Ammermüller. „Aber sie ist eine schöne Erinnerung.“
Genau wie die Redoute, die untrennbar mit dem Mineralbad verknüpft ıst. 1792 wurde das kurfürstliche Ballhaus (umringt vom sehenswerten Redoutenpark) eröffnet, von dem sich schnell eine (Kur-)Promenade in Richtung Draitschquelle bildete. Und in dem es zu einer historischen Begegnung kam: In der Redoute wurde Joseph Haydn 1792 auf Beethoven aufmerksam. Was dazu führte, dass der Bonner Komponist nach Wien ging. Heute ist Christoph von Borries Pächter der Redoute. 2011 übergab die Stadt die Schlüssel an ihn und seinen Vater Rudolf, nachdem der Bau nach einem großen (und teuren) Umbau in den 70er Jahren bis 2011 noch einmal renoviert worden war. Seitdem wird sukzessive an dem Gebäude gearbeitet.
Apropos Promenade: Die endet nicht am Draitschbrunnen, sie zieht sich ins Marienforster Tal. „Sie führt herrlich am Godesberger Bach entlang“, beschreibt Ammermüller. Wer unter den hohen Buchen spaziere, fühle sich fast „wie in einer Kirche“. Wen wundert’s, liegt am Ende des Weges doch ein ehemaliges Kloster, das heutige Gut Marienforst, das nach wie vor landwirtschaftlich genutzt wird. „Es ist einer der schönsten Spaziergänge, die wir hier haben“, stellt Ammermüller fest. „Und alles liegt in Stadtnähe.“
Übrigens: Wer im Anschluss wieder bei Helmut Fiehl an der Brunnenallee Halt macht, kann dort auch einen Schluck aus der Kurfürstenquelle nehmen. Diese wird übrigens auch im Trinkpavillon im Kurpark ausgeschenkt. Die Zukunft des Gebäudes, das jüngst seinen 50. Geburtstag feierte, war lange Zeit ungewiss. Denn weil die Stadthalle einsturzgefährdet ist, wurde auch die Trinkhalle dichtgemacht, die zu dem denkmalgeschützten Ensemble gehört.
Jüngst aber ereilte den Verein Bürger.Bad.Godesberg, der sich um den Pavillon kümmert, eine frohe Botschaft: Das Gebäude darf wieder genutzt werden. Damit sprudelt auch die Kurfürstenquelle wieder im Kurpark.
Der Draitschbrunnen an der Brunnenallee 33 ist Montag bis Freitag von 13.30 bis 18 Uhr, Samstag von 9 bis 14 Uhr geöffnet. Das Wasser kostet 40 Cent pro angefangenem Liter. Mehr auf draitschbrunnen.de. Der Trinkpavillon an der Stadthalle, Koblenzer Straße 80, ist dienstags, mittwochs und donnerstags von 15 bis 18 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Dort finden auch regelmäßig kulturelle, gesellschaftliche und sportliche Veranstaltungen statt. Mehr Infos: buergerbadgodesberg.de.