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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Bad Godesberg polarisiert

Für die einen ist der Bezirk eine Heimat, für die anderen ist er das nicht mehr

(6. Oktober 2018 General-Anzeiger Bonn)

VON AYLA JACOB

BAD GODESBERG. Heimat bedeutet für jeden etwas anderes. Es kann ein Gefühl sein – oder auch eine Stadt, ein Bezirk. Wie Bad Godesberg. Doch gerade was „Heimat“ angeht, polarisiert die Badestadt. Fühlen sich die einen dort nicht mehr wohl und trauern den Zeiten vor der Eingemeindung 1969 nach, identifizieren sich die anderen stark mit ihrem Bezirk – und setzen sich dafür ein, dass Bad Godesberg für viele Heimat bleibt.

Dazu gehört zum Beispiel der Heimatverein um seinen Vorsitzenden Martin Ammermüller. Geführte Spaziergänge, Heimatblätter oder historische Infotafeln – die Mitglieder tun einiges, um die Vergangenheit lebendig zu halten. Dennoch dürfe man diese nicht verklären und jede Veränderung als negativ ablehnen, meint Ammermüller. Und nennt ein Beispiel: Die Burgstraße sei nicht schön anzusehen – sie sei es aber auch vor der Altstadtsanierung nicht gewesen.

Die Verklärung sei ein Grund, weswegen das Image Bad Godesbergs so schlecht sei, findet auch Jürgen Schönewald, der mit dem Team der Facebook-Gruppe „Du kommst aus Bad Godesberg, wenn…“ versucht, dagegen zuhalten. Er sei an der Bonner Straße aufgewachsen, über Bachstraße und Rheinallee zur Schule gegangen. „Außer an der Bonner Straße hat sich nicht viel verändert. Wieso sollte mir da das Heimatgefühl verloren gehen?“

„Das Trauma der Eingemeindung“, nennt es Benjamin Knüpling von der Facebook-Gruppe
„Bad Godesberg unzensiert“. 1969 sei für viele ein Stück Heimat weggebrochen. Das übertrage sich auf nachfolgende Generationen. Was nicht für ihn selbst gilt: Der 42-Jährige fühlt sich hier nach wievor heimisch – im Kottenforst und in der Fußgängerzone, am Draitschbrunnenpavillon und im Villenviertel. „Wir versuchen, das Negativimage wegzukriegen“, sagt Thomas König, der mit Knüpling bei Facebook aktiv ist. „Godesberg hat so viel zu bieten.“ Generell stelle er fest, dass es eher ältere Bad Godesberger seien, die ihre Heimat „kaputtreden. Die Jüngeren nehmen vieles positiv wahr“. So wie er auch.

Damit sich die Bad Godesberger in ihrem Bezirk wieder heimisch fühlen, müsse einiges angepackt werden, meint Walter Düren vom Aktionsbündnis für ein lebens­wertes Bad Godesberg: Ein Rah­men für den Medizintourismus müsse gefunden, ein realistisches Konzept zur Revitalisierung der Innenstadt erstellt werden. Gerade diese habe an Attraktivität einge­büßt, obwohl sich dort identitätsstiftende Gebäude wie Godesburg, kurfürstliche Zeile, Redoute, Stadthalle, Schauspielhaus und Kleines Theater befänden. Ihr Zu­stand aber lasse zu wünschen üb­rig – genau wie der ihres Umfelds. Und: „Die Herstellung von Sicher­heit muss oberste Priorität ha­ben.“ Das liegt in den Händen der Polizei – mit Erfolg: 5524 Straftaten registrierten die Beamten 2017 in Godesberg, 581 weni­ger als 2016. „Das ist der niedrigste Stand seit 1995″, so ein Sprecher. Tendenz: stabil.

Den Unmut einiger Bür­ger macht Joachim Schäfer vom Verein Bürger.Bad.Godesberg an zwei Aspekten fest – am Wegzug der Regierung, durch die sich Bevölkerungsstruktur und Optik der City ver­ändert hätten. Und am Gefühl, nach der Eingemeindung über den Tisch gezogen worden zu sein. „Wir haben kein Standesamt mehr, kein Rathaus und nur noch ein­geschränkte Bürgerdienste“, zählt der 72-Jährige auf. Sein Verein setzt sich dafür ein, dass ein Stück „Hei­mat“ zurückkommt. Die Mitglie­der haben den Trinkpavillon der Kurfürstenquelle, der jahrelang brachlag, reaktiviert – und öffnen nun dienstags und samstags, 11 bis 14 Uhr, und mittwochs, 15 bis 18 Uhr.

Heimat bieten auch die Kirchengemeinden. Man lebe an einem Ort, den die Romantik „als schönsten Europas definiert hat“, sagt Pfarrer Wolfgang Picken. In Bad Godesberg wohnten unterschiedliche Menschen. „Das bietet Potenzial, aber auch Reibungsflächen.“ Der Bezirk befinde sich im Umbruch „und sucht eine neue Identität“. Die versucht Picken den Godesbergern zu geben – in der Kirche, im Gemeindeleben und in der Bürgerstiftung Rheinviertel.

„In der Friesdorf er Pauluskirche geben wir uns seit Jahren redlich Mühe, dass sich jeder bei uns willkommen fühlt“, sagt Pfarrer Siegfried Eckert. Das zeige sich unter anderem in den Kulturangeboten, der Flüchtlingshilfe oder den Gottesdiensten. „Für viele ist deshalb unsere Gemeinde ein Ort geworden, an dem Menschen sich aus ganz unterschiedlichen Motiven heimisch fühlen.“

„Heimat ist nicht nur eine Frage von Geografie, sondern ein Platz, wo man lebt, dazugehört und Anerkennung findet“, so Bezirksbürgermeisterin Simone Stein-Lücke. Sie lebe „wahnsinnig gerne in Bad Godesberg. Man kann hier gestalten, findet immer Gleichgesinnte und es ist sehr einfach, großartige Projekte zu realisieren.“

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