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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Vom Bankiershaus zur Arztpraxis

Das Gebäude an der Kurfürstenallee 6 schaut auf eine lange Geschichte zurück. Unter anderem saß dort der Stadtdirektor

(9. Juni 2006 General-Anzeiger-Bonn)

VON AYLA JACOB
BAD GODESBERG. Für Annette Schwolen-Flümann und Alo von der Kall war es eine Reise in die Vergangenheit. Die Ärzte Jü Tang und Qinping Wu hatten die ehemalige Bezirksbürgermeisterin und den früheren Leiter der Bezirksverwaltungsstelle gestern zu ihrer Praxiseröffnung eingeladen. Die befindet sich an der Kurfürstenallee 6. In dem Haus, in dem Bad Godesberger Stadtdirektoren, Stadtkämmerer und – nach der kommunalen Neuordnung 1969 – Bezirksbürgermeister die Geschicke Bad Godesbergs lenkten.

Um 1845 erbaut, gehörte das Gebäude 1877 der Bankiersfamilie um Adolph vom Rath, dem Mitbegründer der Deutschen Bank. Die Familie lebte eigentlich in Köln und nutzte das Haus in der kurfürstlichen Zeile als Zweitwohnsitz, ist in den Godesberger Heimatblättern, die der Heimat- und Geschichtsverein herausgibt, zu lesen. Vom Rath gehörte auch das Nachbarhaus mit der Nummer 5. Die beiden Einzelhäuser wurden später durch einen Zwischenbau zu einem Doppelhaus verbunden.

Weitere Besitzer folgten – so die Industriellenfamilie Hoesch und das Ehepaar Weber. 1960 dann zogen Diplomaten ein. Die Webers hatten das Haus mit der Nummer 6 an die Botschaft der Republik Ghana vermietet – deren damaliger Botschafter residierte im Haus Kurfürstenallee 7. Also direkt nebenan. 1961 dann hielt die heimische Politik Einzug: Die Stadt Bad Godesberg mietete die Immobilie. Im ersten Obergeschoss, wo Stuckornamente die Decke zieren, saßen Stadtdirektor und Stadtkämmerer, später folgten Bezirksbürgermeister und Leiter der Bezirksverwaltungsstelle.

1970 kaufte die Stadt Bonn das Haus. 1992 stand eine Renovierung an, es sollte gestrichen wer-den. „Das sollte 200000 D-Mark kosten“, erinnerte sich von der Kall. Doch dann holte man den Denkmalschutz mit ins Boot. Der sollte schauen, welche Farben im Original verwendet worden waren. Es wurden Proben genommen – und auf einmal stellte sich heraus, dass unter der damals komplett weißen Decke goldene Elemente lagen. Nebenan ein ähnliches Bild: Die Decke wurde abgekratzt, Buchstaben kamen zum Vorschein. So der Goethe-Spruch „Tages Arbeit abends Gäste saure Wochen frohe Feste“. „Man kann gar nicht sagen, wie viele hundert Stunden Arbeit allein in dieser Decke stecken“, sagte von der Kall. Außerdem wurden Heizungen versetzt, Fenster erneuert, EDV-Leitungen gelegt und mehr. Statt drei Monaten dauerte es 23 – und kostete zum Schluss 1,2 Millionen D-Mark.
2011 zog die Bezirksverwaltungsstelle ins Haus an der Redoute, 2015 erhielten die Ärzte den Zuschlag für die Immobilie. Seit November wurde geputzt, gestrichen und erneuert, so dass das herrschaftliche Gebäude nun im alten, neuen Glanz erstrahlt.

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