Käfer statt Latein
Bonn gilt als Zentrum der Käferforschung im Rheinland. Gründer und Motor war vor 90 Jahren ein Godesberger Jesuit
(7. März 2017 General-Anzeiger Bonn)
VON EBBA HAGENBERG-MILIU
BONN. Wer hätte das gedacht, dass einer der wichtigsten deutschen Käferforscher der vergangenen 90 Jahre im Bad Godesberger Aloisiuskolleg der Jesuiten saß. Und in unzähligen Stunden all die Funde sorgfältig präparierte, bestimmte und etikettierte, die er auf Exkursionen an außergewöhnlichen Krabbeltieren gemacht hatte. Pater Felix Rüschkamp hieß der begeisterte Zoologe, der sich als 35-Jähriger 1920 im holländischen Valkenburg zum Priester hatte weihen lassen.
Am 20. Februar 1927 trommelte er in Köln elf Kollegen zusammen und gründete mit ihnen die „Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen“ (AGRK), sprich der Käferforscher. In diesem Jahr feiert sie ihren 90. Geburtstag. Die Fachgesellschaft blickt auf das Wirken des Paters und seiner Mitstreiter mit Dankbarkeit zurück: 1927 wurde die schon traditionelle rheinische Käferforschung nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs wiederbelebt. So beschreibt es der Zoologe Professor Thomas Wagner in einem auf den zweiten Blick richtig spannenden Beitrag für die aktuellen Bad Godesberger Heimatblätter.
Wohl seiner Sprachgewandtheit wegen war der Pater von seinem Orden ans Godesberger Kolleg geschickt worden, so vermuteten es Mitbrüder in entsprechenden Nachrufen auf den 1957 verstorbenen Rüschkamp. Der 1885 in Lüdinghausen bei Münster geborene Jesuit sollte nach Willen der Ordens-Oberen nämlich als Lehrer für Religion, Latein und Hebräisch antreten – und wollte offensichtlich doch lieber in seinen naturwissenschaftlichen Studien versinken. „Pater Rüschkamp war nichts weniger als ein Philologe, er war gewohnt, in Formen und Bildern zu denken, aber Sprachwurzeln und Sprachregeln raubten ihm den Schlaf. Er wurde einfach nicht fertig damit und bat um einen Tausch der Fächer“, schrieben Mitbrüder später auf. Der Orden lenkte ein und ließ den Käferliebhaber folglich Biologie studieren. „Das war sein Element, er brachte ja auch schon große Kenntnisse mit“, berichteten die Mitbrüder. Und Rüschkamp gab alsbald seine Doktorarbeit ab: über die Deckflügel seiner geliebten Käfer.
Was seiner „Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen“ natürlich zugute kam, die auf Vorarbeiten von Michael Bach (1808-1876) aus Boppard, Arnold Förster (1810-1884) aus Aachen, Carl Roettgen (1859-1925) und Hermann FUSS (1824-1915) aus Bonn aufbaute. Pater Rüschkamp wurde nicht nur ihr erster Vorsitzender, sondern auch ihr Motor.
Mit einem Darlehen von 2000 Reichsmark sowie einem Stipendium konnte er mit Johannes Klapperich (1913-1987) sogar einen Extra-Präparator heranbilden. Denn der Pater war inzwischen schon auf eine Professur für „Organische Naturphilosophie und Biologie“ an die Jesuiten-Hoch-schule-Sankt Georgen in Frankfurt geschickt worden. Vorerst behielt er seinen Wohnsitz in Bad Godesberg bei und ließ mit Klapperich und den Kollegen den Bestand der Landessammlung innerhalb kurzer Zeit auf gut 72 000 Belege anwachsen. Zu dieser Zeit seien allein 4107 Käferarten für das Rheinland verzeichnet gewesen. Davon waren 3718 Arten durch Präparate vertreten, also gut 90 Prozent – eine beeindruckend gut belegte Sammlung.
Als Ziele hatte sich die Arbeitsgemeinschaft die Erforschung aller im Rheinland nachweisbaren Käferarten in systematischer, ökologischer und tiergeografischer Hinsicht gesetzt. Der umliegende Kottenforst, das Mündungsgebiet der Sieg und das Siebengebirge gehörten ohnehin zu den am besten koleopterologisch erforschten Gebieten der Region. Man organisierte regelmäßige Tagungen und Exkursionen. Eine möglichst vollständige Landessammlung rheinischer Käfer sollte an einem Ort zusammengeführt werden: dem Bonner Museum Koenig. Es hat den vor 90 Jahren zusammengetragenen Grundstock an Käferpräparaten zu einer Sammlung ausgebaut, die bundesweit ihresgleichen sucht. Der aktuelle Stand der im Rheinland nachgewiesenen Arten liege bei 4479, was einem Zuwachs von 372 Arten innerhalb der letzten knapp 50 Jahre entspricht, schreibt Thomas Wagner.
Und was geschah mit dem Pater, der doch so viel lieber rheinische Käferarten untersuchte, als mit Schülern lateinische Sprachkenntnisse zu büffeln? Er widmete sich, basierend auf seinen Käferstudien, bald biologisch-philosophischen und anthropologischen Themenkreisen. Und das, wie seine Mit-brüder es später festhielten, mit einer wohl für seine Zeit „etwas kühn klingenden Ausdrucksweise“. Der Orden nahm jedenfalls Anstoß und pfiff ihn von der Hochschule zurück. Er möge doch möglichst nicht weiter über die Frage der menschlichen Abstammung schreiben und lehren. Jesuitische Nachrufschreiber seufzten jedenfalls: „Pater Felix Rüschkamp hätte doch bei seinen Käfern und Ameisen bleiben sollen und sich nicht in das heikle Gebiet der Abstammung des Menschen begeben dürfen.“
> Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Käferforscher über www.koleopterologie.de/arbeitsgemeinschaft