Migranten am Rheinufer
Die neuen Godesberger Heimatblätter sind da. Biologe Bruno P. Kremer untersucht die Fauna
(1. März 2017 General-Anzeiger Bonn)
VON EBBA HAGENBERG-MILIU
BAD GODESBERG. Die ersten Kraniche kommen zurück. Die Kröten wandern. Die Knospen sprießen. Eine Ahnung von Frühling schwebt über Bad Godesberg und über seinem Rheinufer. Da ist es naheliegend, dass der Heimat- und Geschichtsverein in seinen aktuellen Heimatblättern, die er am Dienstag vorgestellt hat (siehe Text „Die 54. Godesberger Heimatblätter“), der Blatt- und Blütenpracht entlang der Rheinwege ein eigenes Kapitel widmet.
Der Biologe Bruno P. Kremer hat ihre wichtigsten Vertreter am Bad Godesberger Ufersaum zusammengestellt und ihre Herkunft nachrecherchiert. Und siehe da: Die meisten dieser im Laufe des Jahres bunt blühenden Pflanzen sind Zuwanderer. Kremer nennt sie Trittbrettfahrer, die sich zunächst im Umkreis von Warenumschlagplätzen, später auch an Industriehäfen oder Güterbahnhöfen und eben am Rheinufer eingerichtet haben.
Da wimmelt es am Ufersaum nur so von Kleinblütigem Franzosenkraut aus Peru, Gelbem Hornklee aus Brasilien, Mauer-Leinkraut vom Mittelmeer, Schmalblättrigem Kreuzkraut aus Südafrika sowie der Neubelgischen Aster und der Großblütigen Nachtkerze aus Nordamerika. An den ‚Uferwegen finden sich die Pfeilkresse aus Vorderasien, der Wohlriechende Gänsefuß aus Südamerika, die Zackenschote vom Schwarzen Meer, der Schmetterlingsflieder aus China und der Staudenknöterich aus Japan.
Kremer hat als Hochschullehrer an der Kölner Universität gearbeitet und zeichnet die Wege nach, die diese Einwanderer gingen, um die Artenvielfalt auch am Rheinufer zu verändern. Jedem bekannt sein dürfte auch das Drüsige Springkraut, eine dunkelrosafarbene Pflanze, die sich besonders gerne am Saum von heimischen Fließgewässern breit macht und ursprünglich aus Indien stammt. Auch das Schmalblättrige Kreuzkraut ist von den Ufern und auch den Bahnanlagen der Region nicht mehr wegzudenken: Einst kam es aus Südafrika, jetzt blüht es leuchtend gelb und üppig jeden Frühsommer und nochmals im Spätherbst am Rhein.
Herrlich ist auch die Kanadische Goldrute anzusehen, wie sie in den Staudenfluren am Rhein dichte Bestände bildet. Weiß leuchtet die Lanzettblättrige Aster. Schon in der Römerzeit aus dem Mittelmeerraum eingeschleppt, ist das auf den ersten Blick unscheinbare Mauer-Glaskraut ein enger Verwandter der Brennnessel. Es lugt aus fast allen Mauerfugen am Rheinufer und ist auch die häufigste Pflanze auf dem Forum Romanum in Rom. Das Kraut hat sich in Deutschland im Gebiet ehemaliger Römerkastelle angesiedelt.
„Das botanisch ebenso wie kulturgeschichtlich interessante Feld der verschleppten, verwilderten, eingebürgerten oder sonst wie in die freie Landschaft geratenen Pflanzen aus anderen Herkunftsgebieten nimmt in der so genannten heimischen Flora einen erstaunlichen Anteil ein“, resümiert Kremer. Er bricht nebenbei eine Lanze für die Wildkräuter, die der Mensch, der nur in Kategorien wie zu bewirtschaftenden Flächen denke, lange Zeit nur als Unkraut diffamiert habe.
Selbst wenn man die Wildkräuter nicht mehr unmittelbar als Nahrungs- oder Rohstofflieferanten nutze, erfüllten sie in ihrem jeweiligen Umfeld doch eine Reihe unverzichtbarer ökologischer Funktionen. „Wachsend, blühend und fruchtend sind sie für Kleintiere von den Insekten über die Vögel bis zu den Säugern Nahrung und Lebensraumspender.“ Und eine Freude für den Spaziergänge noch dazu.
Die 54. Godesberger Heimatblätter
Der Godesberger Heimat- und Geschichtsverein hat am Dienstag seine 54. Heimatblätter vorgestellt. Neben dem Artikel von Bruno P. Kremer über die Vielfalt am Godesberger Rheinufer werden zahlreiche andere Themen behandelt. Hermann Josef Roth untersucht das Leben einiger Naturwissenschaftler aus Bad Godesberg und Umgebung. Historie und Kultur seien zwar die Grundlage der. Heimatblätter, „aber was ist alle Kultur ohne Natur“, so Roth.
Wilhelm Meyer gibt eine Einführung in die Erdgeschichte im Raum Bad Godesberg, ergänzt wird dieser Textdurch einen Bericht von Ulrich Flöhl und Sven Oliver Franz über die Forschungsbohrung auf dem Rodderberg im Jahr 2011. Ernst Dietrich Baron von Mirbach gibt einen Einblick in das Leben des Oberhofmeisters Mirbach, nach dem eine Straße im Villenviertel benannt ist. Thomas Wagner berichtet über die rheinische Käferforschung, deren Zentrum Bonn seit 90 Jahren ist. Außerdem schreibt Bernd Birkholz über den Grottenbauer Johann Krämer, um einige Themen zu nennen. Die 208-seitigen 54. Heimatblätter beinhalten insgesamt elf Beiträge zur Godesberger Heimatkunde und -geschichte.
Die Publikation gibt es beim Heimatverein im Rathaus, dienstags von 15 bis 18 Uhr, bei Bad Godesberg Stadtmarketing, Ria-Maternus-Platz1, und bei den Bonner Stadtwerken, Alte Bahnhofstraße 22a.
Für künftige Heimatblätter wünscht sich Vereinsvorsitzender Martin Ammermüller noch mehr Beiträge über die neuere Geschichte Bad Godesbergs nach den beiden Weltkriegen.