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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Die zweite Karriere des Klaus Barbie

Der Spiegel hat die Südamerika-Jahre des in Godesberg geborenen Nazis neu recherchiert: Er handelte auch mit Drogen

(4. Juni 2025, General-Anzeiger)

Von Ebba Hagenberg-Miliu

Bad Godesberg. Erschreckend Neues über Godesbergs wohl berüchtigsten Sohn Klaus Barbie hat jetzt „Der Spiegel“ enthüllt. Unter dem Titel „Der Nazischlächter und das Kokskartell“ hat die Wochenzeitschrift nachrecherchiert, wie der 1913 in Godesberg geborene nachmalige NS-Kriegsverbrecher ab 1951 von Bolivien aus eine sensationelle zweite kriminelle Karriere aufbaute. Einerseits habe es dieser Nazi, der sich längst Klaus Altmann nannte, geschafft, unter bolivianischen Militärs zum „de facto Chef des gesamten Geheimdienstapparates“ zu avancieren. Das war bislang bekannt. Andererseits sei es ihm gelungen, auch im internationalen Kokainhandel entscheidend mitzumischen. Das belegt der „Spiegel“ im Detail auch anhand von nicht öffentlichen Akten des US-Auslandsgeheimdienstes CIA. Der eben über Barbie voll im Bilde gewesen sei.

Im Rahmen seiner ersten „Karriere“ war SS-Hauptsturmführer Klaus Barbie zwischen 1942 und 1944 Gestapo-Chef im besetzten Lyon gewesen. Und zwar Einer, der seinen Folteropfern mit der Zange eigenhändig Zähne ausriss. Der ihnen in Gesicht und Unterleib trat. Der sie mit Lederpeitsche plus Bleikugel malträtierte. Über diesen Sadisten mit den irrlichtenden Augen sagten Zeugen im spektakulären Prozess von 1987 aus (als „Altmann“ nämlich auf Initiative der Nazi-Jäger Beate und Serge Klarsfeld zurück ins französische Lyon ausgeliefert war): „Er war verrückt, er war von dem Zwang beherrscht, zu schlagen. Es machte ihm Spaß, Menschen zu quälen.“ 1987, eben vier Jahrzehnte danach, sollte der „Schlächter von Lyon“ wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Höchststrafe lebenslänglich verurteilt werden und 1991 im Lyoner Gefängnis sterben. Seine Taten in Südamerika sollten ungesühnt bleiben.

Zu Barbies Herkunft: Wie berichtet, hatte sich Bonns ehemaliger Stadtarchivar Norbert Schloßmacher 2021 für die „Heimatblätter“ auf die Suche nach dem genauen Geburtsort gemacht – und ihn im Herzen Godesbergs in der Elisabethstraße 5, einem Eckhaus gleich vis-à-vis der Treppen, die in den Redoutenpark führen, gefunden. Das war vormals ein viel gebuchtes privates Entbindungsheim für ledige Mütter gewesen. Klaus Barbie kam hier also 1913 unehelich zur Welt und wurde die erste Zeit als „Kostkind“ in die Friesdorfer Prinzenstraße 134 abgeschoben.

Eine traurige Geburt abseits der Gesellschaft war das also für den nachmaligen SS-Hauptsturmführer gewesen. Der aber in seinem weiteren Leben gerade hilflose Kinder, wie er es selbst einst war, auf perverse Weise in den Tod trieb. Gut 30 Jahre später schickte Barbie nämlich 43 jüdischen Waisenkinder im April 1944 aus einem versteckten Heim des Örtchens Izieu erbarmungslos in die Gaskammern von Auschwitz. „Er ist kein Mensch: Kein Wort der Entschuldigung. Kein Wort des Mitleids“ habe dieser grinsende alte Mann 1987 bei seinem Prozess in Lyon hervorgebracht, notierten Reporter.

Der „Spiegel“ hat nun den Weg, den der „Schlächter“ mit seiner Familie ab 1951 nach der Flucht über die sogenannte „Rattenlinie“ nach Südamerika ging, neu verfolgt. Zeugen beschreiben, wie sich dieser eher unscheinbare und eigentlich freundlich wirkende kleine Mann bald als Sicherheitschef des bolivianischen Heroinkönigs Roberto Suarez auf dessen Partys unauffällig „zwischen all den Gangstern, korrupten Politikern, Auftragskillern und reichen Ranchern“ zu bewegen verstand. Auch Kolumbiens Drogenboss Pablo Escobar sei vor Ort gewesen. Wer diesen angeblichen Klaus Altmann kannte, „macht jedoch einen großen Bogen um ihn“, beschreiben Zeugen die Stimmung. Dem Mann sei selbst in diesen Kreisen sein Ruf vorausgeeilt: „Er räumt Gegner aus dem Weg, mit seiner eigenen Killertruppe Novios de La Muerte, den Verlobten des Todes“, erinnern sich Zeitzeugen.

Denn Barbies nützliche „Qualitäten“ hätten darin bestanden, ein absoluter Experte in Geheimdienstarbeit, Militärstrategien und darin zu sein, unliebsame Personen ohne Skrupel zu beseitigen. Und das eben auch als rechte Hand von Drogenchef Suarez. Der habe mit Hilfe von Barbie eines der ersten Kokainkartelle der Welt errichten, die vormalige bolivianische Regierung stürzen und ein korruptes Regime, das den Drogenhandel befeuerte, installieren können, so der „Spiegel“.

„Der ehemalige Gestapo-Mann organisiert nun nicht mehr die Ermordung von Juden, sondern den Aufbau neuer Kokainschmuggelrouten. Statt mit SS-Mördern verkehrt Barbie mit Drogenkillern“, folgert das Blatt. Gerade auch diese zweite „Karriere des Bösen“ sei so unglaublich gewesen, dass man sie wohl jedem Drehbuchschreiber in Hollywood um die Ohren hauen würde. „Der mordende Nazi, der nun auch noch hilft, die Welt mit tödlichen Drogen zu überschwemmen“, das sei der geborene Godesberger Barbie gewesen, konstatiert der „Spiegel“.

Wobei diese schauerliche Geschichte noch ein zusätzliches tragisches Detail besessen habe: Die Ehefrau von „Altmanns“ Arbeitgeber, des Drogenbosses, habe jüdische Wurzeln gehabt. Und eine Tante dieser Ayda Suarez, geborene Levy, sei 1944 mitsamt ihrer Familie von der SS exakt aus Lyon deportiert worden. Dass der Mann, der dafür verantwortlich war, bei ihr über Jahre mit am Tisch saß, habe diese Ayda Suarez erst am Tag seiner Auslieferung nach Frankreich erfahren.

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