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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Er war Chronist des politischen Bonn

GESCHICHTEN AM GRAB Ein Spaziergang zum Grab von Walter Henkels auf dem Burgfriedhof: Was der 1987 verstorbene Hauptstadtjournalist über Adenauer und Co geschrieben hat

(14. November 2023, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. | Wie er eines seiner 35 Bücher betitelte, so sah sich Walter Henkels (1906-1987) sicher auch selbst: „Keine Angst vor hohen Tieren“ zu haben, hieß für den Starjournalisten 1977 das Rezept, auf das politische Treiben in der Hauptstadt am Rhein zu blicken. 28 Bonner Korrespondentenjahre für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte er da gerade hinter sich. Zuvor war der in Solingen geborene Autor mit der spitzen Feder, der anfangs als Verwaltungsbeamter arbeitete, von 1946 bis 1949 Reporter des Magazins „Spiegel“ sowie der Wochenzeitung „Die Zeit“ gewesen. Und neben seinem Einsatz für die Edelblätter der Republik sollte er seine ebenso informativen wie unterhaltsamen Bücher noch über zwei Millionen Mal verkaufen.

„Bacchus muss nicht Trauer tragen“ (1963), „Wer einen Treiber erschießt – muß die Witwe heiraten“ (1971) oder „Adenauers gesammelte Bosheiten“ (1983) hießen augenzwinkernd weitere Bestseller des passionierten Weintrinkers und Jägers. Wobei Henkels beruflich keineswegs nur am Schreibtisch, bei Parlamentssitzungen oder als begleitender Journalist auf Staatsreisen rund um den Erdball zu finden war. Der Tausendsassa fungierte auch als Mitbegründer und in den 1950er Jahren als Vorstand der Bundespressekonferenz und des Deutschen Presseclubs.

Dass er noch 1944 als rekrutierter Kriegsberichterstatter für das NS-Propagandablatt „Das Reich“ und „Die Kriegsbücherei der deutschen Jugend“ die Opferbereitschaft im untergehenden Deutschland anzuheizen hatte, interessierte in seiner Hoch-Zeit wenig. Nach der amerikanischen Kriegsgefangenschaft galt Henkels als „entnazifiziert“, und er bewies sich als fest der Demokratie verpflichteter Staatsbürger. In seiner Autobiografie „Die Lage war schon immer so ernst“ gab er 1982 jedoch öffentlich zu, in den letzten Kriegsjahren in einer „Zwangsjacke Schlimmes“ zum „Drama des Kriegs“ geschrieben zu haben.

Über den Burgfriedhof weht an diesem Morgen eine frische Herbstbrise. Auf dem monumentalen, schwarzglänzenden Stein eines Familiengrabs steht im Mittelteil unter einem pflanzlichen Lebenssymbol auch der Name Walter Henkels verzeichnet. Unter dunkelgrünen Kirschlorbeerbäumchen hat also dieser so lebens- und debattierlustige Rheinländer seine letzte Ruhe gefunden. Martin Ammermüller blickt hinüber. Als vormaliger Vorsitzender der Godesberger Heimat- und Geschichtsvereins kennt er den Burgfriedhof wie seine Westentasche.

Auch Walter Henkels habe einiges zu diesem schönen Gottesacker geschrieben, beweist Ammermüller anhand eines brillant formulierten Artikels. Henkels sei von 1936 bis 1939 beim Landesverkehrsverband Rheinland mit Sitz in Godesberg beschäftigt und somit ab 1949 unter den Hauptstadtjournalisten einer der wenigen Kenner der Gegend gewesen. Ammermüller hat den Journalisten wegen dessen leichter Feder ein wenig beneidet, gibt er zu, „aber Henkels war auch manchmal leichtfertig in den Behauptungen,“ kann sich der Lokalhistoriker leise Kritik nicht verbeißen. „Nur dann kann man wohl so viele Bücher verfassen.“

Die Gräber wichtiger Politiker der Bonner Republik wie Herbert Wehner und Erich Mende liegen nicht weit entfernt, zeigt Ammermüller. In Henkels seit 1949 für die FAZ verfassten Kolumnen „Bonner Köpfe“, die er dann 1963 im Buch „99 Bonner Köpfe“ zusammenfasste, hat der, wie der Verlag schrieb, „ironisch-liebenswürdige Chronist“ auch diesen beiden Schwergewichten des Hauptstadt-Bonns über die Schulter geschaut.

Beim SPD-Urgestein Wehner fiel das Urteil weniger liebenswürdig aus: Gnadenlos treffe dessen Bannstrahl die Konkurrenz, habe Wehner erst einmal zu seiner „Sammlung von Halb- und Schachtelsätzen, die dialektisch verbogene Beine bekommen“, angesetzt, beschreibt Henkels Wehners schier atemlosen Redestil noch scharfsichtig. Um die SPD-Ikone dann schließlich als verbissen, misstrauisch, ja mit depressiven Zügen behaftet abzuurteilen. Besser kommt der charmante Erich Mende, damals FDP, weg. Der sei nicht nur gut aussehend, sondern auch geschickt und leide „an keiner politischen Drüsenverstopfung“. Mende habe sich aber durch flotte Redensarten vergaloppiert, analysiert Henkels den Karriereknick des Überfliegers.

Der so erfolgreiche „Henkels-Stil“ fand jedoch auch seine Kritiker. Der Kollege betreibe zwar hier und da politische „Denkmalschädigung“, er häkele aber meist „die von den Betroffenen so angenehm empfundene Masche sanfter Personenbeschreibung,“ ätzte der „Spiegel“ 1967 und führte Henkels Motto „keine Angst vor hohen Tieren“ ad absurdum. Seit Beginn „antichambrierten ungezählte Bonner unterschiedlicher Parteischattierung und geistiger Provenienz bei Henkels, verlockten ihn zum Skat, zur Jagd, zum Wein, um sich Anrecht auf einen ‚Bonner Kopf’ zu erwerben“, beschrieb der „Spiegel“ die offensichtliche journalistische Macht des Autors. Freundlich habe der Kollege besonders um seinen „Hauptstar“ Konrad Adenauer he­­rumgehäkelt und dem Bundeskanzler mit gesammelten „Döntches“ ein überragendes Denkmal geschaffen.

Was dem Gescholtenen aber gerade viele Leser und offenbar fette Aufträge einbrachte. „Der Alte aus Rhöndorf“, selbst auch ein Henkels-Fan, soll seinen Chronisten jedenfalls geneckt haben: „Se haben an mir schon viel Jeld verdient.“ Dabei konnte der Mann, der übrigens mit dem vormaligen Filmstar Paul Henckels verwandt war, wirklich wahnsinnig gut schreiben. Henkels Zeitungsreportage „Reise mit dem Kartoffelzug“ von 1946 etwa schilderte ebenso mitfühlend wie mitreißend die Not und die Wut der hungernden Nachkriegsstädter auf die mit Lebensmitteln besser versorgten Bauern: Wie Reptile, wie „ein Rudel gewalttätiger, gieriger Ratten“ hätten sich die Städter auf deren Erntefelder gestürzt, hatte der Reporter die explosive Stimmung beobachtet: „Wie ein einziger funkelnder, gefährlicher, maßloser, entschlossener Hass.“

Anlässlich seines 80. Geburtstags lud sein Verlag ein Jahr vor Henkels Tod noch einmal zu einem festlichen Empfang in die Godesberger Redoute. Der „herausragende Journalist und ausgezeichnete Menschenkenner“, wie der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl es 1987 in seinem Kondolenzschreiben an die Witwe Ursula Henkels schrieb, dürfte den Tag genossen haben.

DIE SERIE – Erinnerungen an Prominente

Zu Lebzeiten waren diese Prominenten hochgeschätzt, ja verehrt, manche auch gefürchtet. Sie lebten zuletzt in Bad Godesberg und wurden hier bestattet. Doch wer kennt sie heute? Und wie wird ihr Wirken inzwischen gesehen? Wir laden ein zum Spaziergang auf lokalen Friedhöfen. Bislang erinnerten wir an die Politiker Herbert Wehner, Kai-Uwe von Hassel, Rainer Barzel, Erich Mende, Hans Globke, Otto Lenz und Wolfgang Clement, an den „Vater der Bundeswehr“ Ulrich de Maizière, die Pfarrer Julius Axenfeld, Friedrich Bleek, Klaus Lohmann und Werner Ehlert, an die Schauspieler Paul Kemp und Heide Keller, Godesbergs Idol Aennchen Schumacher, die Bürgermeister Heinrich Hopmann und Josef Zander, die Kunstförderer Karl von der Heydt und Ferdinande Boxberger. Wir erinnerten auch an die Taten von SS-Obergruppenführer Wilhelm Koppe. ham

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