Wappen von Bad Godesberg
VHH
Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Alte Sprüche vor dem Aussterben bewahren

Beim Projekt „Weisheit der Gasse“ in Friesdorf wurden bislang an neun Häusern elf Spruchtafeln angebracht

(15. Mai 2023, General-Anzeiger)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

FRIESDORF |. Das Friesdorfer Projekt „Weisheit der Gasse“ des Heimatforschers Karl Josef Schwalb und der Künstlerin Anne Stöcker nimmt weiter Fahrt auf. Wie berichtet, hatten die beiden bislang an den Sichtachsen von vier Dorfhäusern nach Wahl der Eigentümer alte heimische Spruchweisheiten auf Holzbalken angebracht: der 90-jährige ehemalige Burgschulrektor Schwalb als geistiger Vater des Projekts und Stöcker als Organisatorin und als in Kalligrafie bewanderte Sprüchemalerin. Nun haben die beiden auf sorgsam präparierten und resistenten Holztafeln weitere historische Fachwerkhäuser mit Sprüchen in rheinischem Dialekt versehen. Mehrfach wurde das Prozedere mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt abgestimmt.

Im Sträßchen „In der Kumme“ findet man nun auf einem Fachwerkhaus zum einen den Spruch „Jebore wierst de, eve Minsch moß de selve wäede“, also hochdeutsch „Geboren wirst Du, aber Mensch musst Du selber werden“. Und zum anderen ziert die Lebensweisheit „Joot Nohpere bruchen keen Heck“, also „Gute Nachbarn brauchen keinen Zaun“ die Fassade des Hauses. Auf dem Haus Klufterstraße 56 ist inzwischen zu lesen: „Dem Eene sing Ühl es dem Andere sing Nachtijall“, also „Dem Einen seine Eule ist dem anderen seine Nachtigall“, was einem Appell an die Toleranz gleichkomme, sagt Stöcker.

„Für ein weiteres Fachwerkhaus an der Annaberger Straße an der Ecke Klufterstraße wurde der Spruch ‚Wo all ene Puckel han, laach me öve ne jrade Mann‘ gewählt“, berichtet Stöcker schnunzelnd weiter. Übersetzt ins Hochdeutsche heißt das: „Wo alle einen Buckel haben, lacht man über einen aufrechten Menschen“. Letztlich sei das ein Spruch mit politischer Dimension, der an Aktualität gewinne, meint die Künstlerin. „Wir wollen diese ausgegrabenen Schätze von Sprüchen vor dem Aussterben bewahren und in den Alltag zurückholen“, betont Schwalb. Eher einspurige Zitate wie „Echte Fründe ston zesamme“ oder „Et kütt wie et kütt“ will er eher nicht an Friesdorfer Hauswänden sehen. „Ich habe nicht an Karnevalskram gedacht“, nimmt der 90-Jährige kein Blatt vor den Mund.

Das Feedback der Nachbarn und Passanten für jedes neue Haus im Projekt sei sehr positiv. Die Hauseigentümer berichteten von Reaktionen wie „schön und passend“ und auch mal „tiefsinnig“, erzählt Stöcker. „Es ist einfach wunderbar, wie so ein Austausch auf den Straßen stattfindet.“ Auch die künstlerische Gestaltung ist für sie im Laufe der Arbeit immer spannender geworden. „Die Spruchtafeln sind ja einerseits aus einem Guss, mit der Wiedererkennbarkeit der Eule als Symbol für die Weisheit der Gasse.“ Andererseits werde jede Spruchtafel individuell für das jeweilige Haus angepasst. Die Unterschiede lägen in den Schrifttypen. Inzwischen biete sie drei verschiedene an.

An neun Häusern seien jetzt elf Spruchtafeln angebracht, etwa auch mit den Weisheiten: „Allzevell es onjesond“, also „Allzu viel ist ungesund“ neben der Eule mit der Waage als Zeichen der Balance, sowie „Och de Mond moß iesch opjon, ieh der schink“, also „Auch der Mond muss erst aufgehen, bevor er scheint“. Den findet Stöcker besonders poetisch und ermutigend.

Menü