„Ein Lachen ist gestorben“
Der Bad Godesberger Schauspieler Paul Kemp starb mit 57 Jahren. Frank Oppermann erinnert sich an ihn
(30. Januar 2023, General-Anzeiger)
Von Ebba Hagenberg-Miliu
BAD GODESBERG. | „Oh ja, das ist sein prägnantes Gesicht“, sagt Frank Oppermann vor der Grabstele mit dem Profil Paul Kemps. Am oberen Eingang zum Burgfriedhof liegt der 1896 in Godesberg geborene, in den 1920er bis 1950er Jahren sehr bekannte Theater- und Filmschauspieler unter Efeu begraben. „Samstagnachmittags habe ich als Kind mit meinen Eltern die alten Ufa-Filme mit Kemp angesehen“, erinnert sich Oppermann. „Wenn Kemp lächelte, dann strahlte alles“, urteilt der Chef des Kleinen Theaters, der selbst Schauspieler ist. Dabei sei im Rollenfach Charakterkomiker, das Kemp bediente, die Fallhöhe ungeheuer groß. Oppermann hat sich nochmals Filmausschnitte angeschaut. „Kemp hatte immer das richtige Timing. Er hat mit seiner Bescheidenheit nie überdreht gespielt“, urteilt der Theatermann über das auch leicht Tragische in Kemps Zügen. „Er hat sich nie selbst karikiert.“
Am 20. August 1953 zog bei einem der größten Begräbnisse, die Godesberg je sah, wie Irmgard Wolf 1996 schrieb, ein pompöser Leichenzug mit Kemps Sarg in einer schwarzen Pferdekutsche zum Burgfriedhof. Der Starschauspieler, der von seinem Elternhaus in der heutigen Paul-Kemp-Straße 32 aus über Jahre mit seinem Schrankkoffer zu den Filmstudios geeilt war, hatte nach einem Blinddarmdurchbruch in der Bonner Uniklinik nicht gerettet werden können. Tage zuvor hatte Kemp noch in seinem kleinen neuen „Penthouse“ oben auf dem damaligen Rheinischen Kaufhaus (Rheka) am Theaterplatz 1 seine Lebenserinnerungen „Blühendes Unkraut“ fertig getippt.
„Ein Lachen ist gestorben! Paulchen Kemp ist nicht mehr!“, rief an diesem Augusttag 1953 am Grab vor der riesigen Trauergemeinde der Schauspielkollege Albrecht Schönhals. Und bald darauf sollten die Godesberger aus Kemps Nachlass eine wertvolle gotische Pieta für ihre Kirche St. Marien erhalten, wie Martin Ammermüller vom Heimatverein berichtet. Der Stadtteil revanchierte sich 1978 und nannte die Bach- in die Paul-Kemp-Straße um, wo inzwischen Geschäftsleute jährlich „Paul-Kemp-Promenaden“ für Kultur, Kulinarik und Wohnen veranstalten. Von hier aus war der Enkel eines Polsterhändlers aus der Alten Bahnhofstraße und Sohn eines Musiklehrers nach einer durchwachsenen Schulkarriere in die große Theaterwelt aufgebrochen.
Sein Vorsprechen an der Düsseldorfer Theaterakademie endete zwar im Fiasko: Die Jury amüsierte sich köstlich über Kemps donnernden Monolog aus Friedrich Schillers „Wallenstein“. Dieser kleine, junge Mann mit der markanten Nase hatte sich seinen bönnschen Dialekt noch nicht abgewöhnt. Das sollte ihm am Düsseldorfer Theater, wie übrigens auch dem später berühmten Kollegen Gustav Gründgens, er st mit Hilfe von zwischen die Zähne geklemmten Sektkorken gelingen. Theaterchefin Louise Dumont engagierte den verkorksten Wallenstein dennoch; er überzeugte sie mit einem schmissigen rheinischen Schlager.
Verängstigter und sympathischer Kleinbürger
„Herrliche Rollen und beglückende Erfolge“ habe er gefeiert, blickte Kemp 1953 in seinen „Unkraut“-Erinnerungen dankbar auf seine Karriere an den renommiertesten Hamburger und Berliner Bühnen sowie ab 1930 in zahllosen Ufa-Filmen zurück. Zeitweise drehte „Paulchen“ als verängstigter, aber sympathischer Kleinbürger an die zehn Streifen im Jahr, wobei auch seichte Unterhaltungsfilme dabei waren. Doch wer konnte schon von sich behaupten, in Georg Wilhelm Pabsts „Dreigroschenoper“ (1931) oder in Reinhold Schünzels „Amphitryon“ (1935) mit der ersten Riege damaliger Regisseure gearbeitet zu haben? Auch der legendäre Max Ophüls rühmte Kemp als „einen der besten Komiker, die mir je unter die Finger gekommen sind“.
Im berühmten Film „M. Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) von Fritz Lang zieht Paul Kemp als kleiner Gangster alle Register. „Die sind schon plemmplemm“, kann er da im rheinischen Dialekt über die Polizei herziehen, wie Ausschnitte im Netz noch heute zeigen. Er kann sich köstlich darüber aufregen, dass die Mördersuche ihm das Geschäft verdirbt. „Deinem Beruf kannste nicht mehr nachjehen, weil de dauernd über Kriminale stolperst, ich habet satt“, stöhnt Kemp.
In den 1920er Jahren zeigte er sich gerne auch in Kreisen der Avantgarde mit Nazi-Kritikern wie Klaus und Erika Mann, davon gibt es Fotos. Trotzdem hat er zwischen 1933 und 1945 unzählige Spielfilme gedreht, die alle über Joseph Goebbels Schreibtisch gehen mussten.
Kemp ist nicht wie die Manns, Fritz Lang, Max Ophüls oder Marlene Dietrich demonstrativ außer Landes gegangen. Weil er wie der Kollege Hans Albers in seinem Beruf die deutsche Sprache unbedingt brauchte? Vor dem Grab auf dem Burgfriedhof zuckt Frank Oppermann mit den Achseln. Kemp habe nie in reinen NS-Propagandafilmen mitgespielt. Er kenne keine politische Äußerung von Kemp. Und Kemp habe offenbar auch keinem Regimegegner geschadet, urteilt der Chef des „Kleinen Theaters“.
Die Serie – Geschichten am Grab
Zu Lebzeiten waren sie hochgeschätzt, ja verehrt, manche auch gefürchtet. Auf jeden Fall waren sie prominent. Sie lebten zuletzt in Bad Godesberg und wurden hier öffentlichkeitswirksam bestattet. Doch wer kennt diese Personen heute noch? Wer erinnert sich an ihr hiesiges Leben? Und vor allem: Wie wird ihr Wirken heute gesehen? Wir laden ein zum Spaziergang auf lokalen Friedhöfen. Und zu Gräbern einer Reihe von Godesberger Promis. Bislang besuchten wir die Gräber von Herbert Wehner, Ulrich de Maizière, Rainer Barzel, Erich Mende und Julius Axenfeld. ham