Wo die Godesberger badeten
Mit der Nutzung der Draitschquelle begann 1790 die Entwicklung von Godesberg.
1871 entstand das Kur- und Badehaus
(11. Januar 2022, General-Anzeiger Bonn)
Von Ebba Hagenberg-Miliu
BAD GODESBERG. | Freitags war in den 1950er Jahren bei Godesberger Handwerkern Badetag. Und freitags war Brunnenwassertag. So erinnerte sich Juppi Schäfer 1998 in seinem „Alt-Godesberger Bilderbuch“. Der Fotoband des 2018 verstorbenen Godesberger Urgesteins gilt bei Alteingesessenen als Vermächtnis des in den 1970er Jahren durch Neubauten ersetzten alten Knolleveedels. Wenn „dat Jüppchen“ also vor rund 65 Jahren am Freitagnachmittag aus der elterlichen Schneiderei in der damaligen Kirchstraße in die Brunnenallee geschickt wurde, hieß es: „Et Brunnenwasser is all. Jeh emal schnell neues holen“. Freitags machten sich mit dem „Jüppchen“ ganze Bataillone Godesberger Kinder auf, für das Wochenende die Tonkrüge der Familien im damaligen gläsernen Trinkpavillon mit Draitschbusch-Quellwasser abfüllen zu lassen.
Während die Jungen dann noch bis in den späten Nachmittag hinein auf den Bänken am Pavillon klönten, fanden sich jede Menge Arbeiter und Handwerker ein, die nach einer schweißtreibenden Woche in das damals angrenzende Badehaus strebten. So beobachtete es Schäfer damals. Heute befindet sich auf dem Gelände die vom Heimat- und Geschichtsverein angelegte Draitschquellen-Gedenkstätte. „Die meisten Haushalte besaßen doch noch keine Bäder, und so ging man einmal die Woche zum Baden in den Brunnen“, berichtete Schäfer über seine Kindheitsjahre. Auch seine Familie habe selbstverständlich zum Wochenende das Angebot des auf den ersten Blick herrschaftlich anmutenden Badehauses genutzt. Auf dem prangten in den 1950er Jahren noch die Schriftzüge „Mineralbad“ und „Godesberger Mineralbrunnen“.
Im Komplex selbst hätten „lauter Badewannen, jeweils in kleinen gekachelten Kabinen“ gestanden, erinnerte sich Schäfer an seine Kindheit. Und „man nahm sich die Sonntagsklamotten mit, um sich fein zu machen“. Auch Detlef Hagen weiß noch, wie er als Kind mit seinen Eltern einmal die Woche von Schweinheim hinunter in die Brunnenallee lief. Die junge Flüchtlingsfamilie aus Ostdeutschland hatte in einer winzigen Mansardenwohnung am Lenkert Unterschlupf gefunden. Dort war an eine Badegelegenheit nicht zu denken. „Im Badehaus gab es dann feste Zeiten, in denen wir uns alle gewaschen haben mussten, weil die nächsten Kunden kamen“, berichtet der Zeitzeuge. Wie Schäfer hatte er den Komplex aber damit nicht mehr in dessen Glanzzeit erlebt.
Auf Fotos von Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts steht an der Brunnenallee hoch oben unter der Zinne des damaligen Haupthauses in großen Lettern noch „Curhaus“ geschrieben. Neben dem Bad sind an der Schutzmauer am Hang die heute wieder freigelegten Verzierungen aus Lavasteinen zu erkennen. Das Badehaus war nämlich über Jahrzehnte Treffpunkt der Schönen und Reichen gewesen, die als Kurgäste besonders gerne in Godesberg weilten. „Die Draitschquelle ist das wichtigste Wahrzeichen für die Entwicklung von Bad Godesberg“, sagt dazu Martin Ammermüller, der ehemalige Vorsitzender des Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte.
Als das „Jüppchen“ aus dem Knolleveedel und der kleine Detlef aus Schweinheim in den 1950er Jahren mit ihren Familien zum Waschen in die Brunnenallee gingen, war es mit dem Glanz des feinen Kur- und Badehauses jedoch schon längst vorbei. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es kein Aufleben des Kurtourismus in Bad Godesberg mehr gegeben. 1952 war die 1904 gebaute hölzerne Brunnenhalle, in der sich Bürger ihr Draitschquellenwasser einschenken ließen, zwar durch einen moderneren, gläsernen Pavillon ersetzt worden. In dessen Mitte führte hinter einen dicken Absperrkordel eine Treppe hinunter zur Quelle. Oben ließen sich die „Bataillone“ Godesberger Kinder aus Schläuchen für die Familien das gesunde Quellwasser in Tonkrüge füllen. Neben dem „Jüppchen“ war später auch Detlef Hagen dabei. „Ich selbst mochte das rötliche Wasser ja nicht so sehr“, gibt er zu. Folgerichtig habe er es immer mit Zitronengeschmack aufgepeppt.
Doch die Handwerker, die die Jungen in den 1950er Jahren noch immer freitags ins Badehaus strömen sah, blieben bald aus. 1972 wurde das große Mineralbad abgerissen. An seiner Stelle arbeitete bis 1990 eine Produktionsstätte für Mineralwasser und Limonaden. Nach 1990 blieb ein trister Parkplatz. Bis Helmut Fiehl, ein ehemaliger Betriebsmeister der Godesberger Heil- und Mineralbrunnen GmbH, und der Heimat- und Geschichtsverein für eine neue Wertschätzung des Draitschbuschgeländes eintraten. Fiehl betreibt seit 1977 auf eigene Kosten den heute noch bestehenden neusten Trinkpavillon. Daneben legte der Heimatverein 2018 eine Grünanlage an, ein Herzensprojekt seines damaligen Vorsitzenden Martin Ammermüller. Auf der Schutzmauer klingt seither die hohe Zeit des Godesberger Kur- und Badebetriebs wieder an: Im Projekt wurden nämlich, eine kleine Sensation, die lange vergessenen Steinornamente der Schmuckwand wieder freigelegt. Sie hatten einst auch den Blickfang der Anlage um das edle „Curhaus“ gebildet.
Historie: Den Trinkpavillon gibt es heute noch
Seit Kurfürst Max-Franz 1790 die Draitschquelle neu gefasst und damit unterhalb der Godesburg einen Badebetrieb etabliert hatte, wurden Kuranlagen eröffnet. 1864 erwarb die Gemeinde Godesberg die Quelle vom Staat und errichtete ein Treppenhaus zum Quellort. 1871 erweiterte die „Stahlbrunnen-AG“, ein Konsortium Godesberger Bürger, die Anlage und zog nebenan das Mineralbad mit Kurhaus hoch. Stolz exportierte man das Quellwasser. Es wurde sogar auf Weltausstellungen prämiert. Aufgrund seines hohen Mineralgehalts galt und gilt es als gesundheitsfördernd, ist auch heute eine staatlich anerkannte Heilquelle. Es war zeitweise sogar Tafelgetränk des englischen Hofes. Auch heute wird es in Helmut Fiehls Trinkpavillon in der Brunnenallee 33 montags bis freitags von 13.30 bis 18 Uhr und samstags von 9 bis 14 Uhr ausgeschenkt. ham