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Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.

Das Geburtshaus des Schlächters

Stadtarchivar hat die Jugend von SS-Mann Klaus Barbie erforscht. Uneheliche Geburt am Redoutenpark und Kostkind in Friesdorf

(19. Januar 2021 General-Anzeiger Bonn)

VON EBBA HAGENBERG-MILIU

BAD GODESBERG. Er war zwischen 1942 und 1944 Gestapo-Chef im besetzten Lyon. Einer, der seinen Folteropfern mit der Zange eigenhändig Zähne ausriss. Der ihnen in Gesicht und Unterleib trat, der sie mit Lederpeitsche und Bleikugel malträtierte. Über diesen Sadisten mit den irrlichternden Augen sagten Zeugen im spektakulären Prozess von 1987: „Er war verrückt, er war von dem Zwang beherrscht, zu schlagen. Es machte ihm Spaß, Menschen zu quälen.“

Die Rede ist von SS-Hauptsturmführer Klaus Barbie, der über vier Jahrzehnte nach seinen Morden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Höchststrafe lebenslänglich verurteilt wurde. Und zwar genau in Lyon, von wo aus Barbie auch seine entsetzlichste Tat beging: 43 jüdische Kinder noch 1944 aus einem versteckten Heim des Örtchens Izieu in die Gaskammer von Auschwitz zu schicken. „Er ist kein Mensch: Kein Wort der Entschuldigung. Kein Wort des Mitleids“, notierten Reporter 1987 über diesen beim-Prozess grinsenden alten Mann.

Bonns Stadtarchivar Norbert Schloßmacher hat sich für die in Kürze erscheinenden „Heimatblätter“ des Geschichtsvereins auf die Spur dieses berüchtigten „Schlächters von Lyon“ gemacht. Und zwar, weil genau dieser Klaus Barbie 1913 im Herzen von Godesberg geboren wurde. Im Wikipedia-Eintrag über den Stadtteil wird Barbie auch heute an prominenter Stelle als einer der „Söhne und Töchter Bad Godesbergs“ aufgeführt. Schloßmacher hat Barbies Geburtshaus entdeckt: Es war ein damals viel gebuchtes privates Entbindungsheim in der Elisabethstraße 5, einem Eckhaus gleich vis-à-vis der Treppen, die in den Redoutenpark führen. Hier hatte die Hebamme Therese Könsgen ein Geburtshilfehaus mit Kost, Logis und Betreuung vor und nach der Entbindung eingerichtet, das den Heimatforschern bislang unbekannt war. Und das, obwohl zu der Zeit fast jedes zehnte in Godesberg geborene Kind hier auf die Welt kam, wie Schloßmacher recherchierte.

Das Erfolgsrezept hieß: Die Frau hatte sich auf uneheliche oder voreheliche Geburten spezialisiert. In der Elisabethstraße kamen also Kinder zur Welt, deren Mütter meist anonym und entfernt von Heimat und Familie entbinden mussten. Und die dann meist auch nicht lange in Godesberg blieben. Genauso lief es 1913 bei Anna Hees, einer entlassenen Lehrerin aus der Eifel, und ihrem unehelich geborenen Baby. Der Kindsvater, ihr Lehrerkollege Nikolaus Barbie wird diesen kleinen Nikolaus, kurz Klaus, aber immerhin kurze Zeit später als seinen rechtmäßigen Sohn anerkennen. So hat Schloßmacher es im Taufregister der Kirche St. Marien vermerkt gefunden. Die Hebamme Könsgen sprang also als Patin vier Tage nach der Geburt mit dem kleinen Klaus rasch zu St. Marien hinüber , um ihn segnen zulassen. Die junge Mutter durfte als Wöchnerin das Haus noch nicht verlassen. So war das damals üblich. Auch vom Vater steht nichts in den Taufakten.

Den Meldeunterlagen nach blieb die Mutter mit dem Neugeborenen noch einen Monat in der Elisabethstraße, um dann vorläufig in die Friesdorfer Klufterstraße 13 zu ziehen. Das Baby brachte sie nicht weit entfernt in der Prinzenstraße 134 unter. Schloßmacher vermutet, dass die Zukunft für Mutter und Kind wegen familiärer Unstimmigkeiten noch ungeklärt war und der kleine Klaus als sogenanntes Kostkind in einer Familie untergebracht werden musste. Erst mit der Heirat konnten beide dann offiziell zum Vater an die Saar ziehen. Und „Godesberg wird seinen berüchtigten Sohn wohl nie wiedergesehen haben“. Von einem weiteren Aufenthalt des 1991 im Lyoner Gefängnis verstorbenen Klaus Barbie in seiner Geburtsstadt ist also nichts bekannt.

Wie ein Mensch zum sadistischen Mörder werden kann, haben sich bis heute viele Barbie-Biografen gefragt. Auch Schloßmacher spürt, ausgehend von Barbies trauriger Geburt im Abseits der Gesellschaft, einigen Interpretationsversuchen nach. Er zitiert die „schmerzlichen Erinnerungen“, mit denen der erwachsene Barbie auf die Familienspannungen zurückblickte, und wie „zerrüttet und zerschunden“ der Vater aus dem Ersten Weltkrieg zurückkam, ein seelisches Wrack mit rassistischem Wahn – und das bei französisch klingendem Namen. Auf der Suche nach einer Leitfigur, die ihm dieser Alkoholiker nicht war, habe Barbie nach Jahren in einem kirchlichen Internat schließlich in der Nazi-Ideologie eine Alternative gefunden. Die Anerkennung, die ihm bislang verwehrt blieb, errang der vormals „zurückhaltende und scheue Katholik“ also im Schatten des berüchtigten Gestapo-Chefs Reinhard Heydrich.

„Doch auch schwierigste Verhältnisse taugen allenfalls als Erklärung, nicht aber als Entschuldigung für gravierendes Fehlverhalten“, betont Schlossmacher. Jeder Mensch komme an Kreuzungen, an denen er sein Leben anders ausrichten könne. Klaus Barbie hat das nie getan. Der Mann, der in Godesberg unter für ihn erniedrigenden Umständen geboren wurde, hat gut 30 Jahre später auch die kleinen Kinder von Izieu erbarmungslos in den Tod geschickt.

Erscheint Ende Februar: Heimatblätter, Band 58, 10 Euro, erhältlich in der Heimatvereins-Geschäftsstelle, Augustastr. 82, dienstags von 15 bis 18 Uhr, bei Stadtmarketing, Ria-Maternus-Platz 1, oder im SWB KundenCenter, Alte Bahnhofstraße 22 a.

LEBEN NACH 1945
Barbie entkam nach Südamerika

Mit Barbie entkam einer der meistgesuchten Nazi-Verbrecher 1951 über die sogenannten Rattenlinien mit seiner Familie nach Südamerika. Mit seinen Gestapo-Methoden stellte er sich hier unter falschem Namen über Jahrzehnte Diktatoren zur Verfügung und machte eine zweite erschreckende Karriere, obwohl in Frankreich zwei Todesurteile gegen ihn ergangen waren. Nach fast zehnjähriger Suche und mithilfe von zwei Müttern von ermordeten Kindern von Izieu brachten Beate und Serge Klarsfeid Barbie im Februar 1983 zurück ins französische Lyon, wo er 1987 verurteilt wurde. 2009 inspirierte der NS-Sadist Barbie den Regisseur Quentin Tarantino zum Erfolgsfilm „lnglourious Basterds“.

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